In drei Tagen, so Kunststudent Henry Latham zu seinem Psychiater Sam Foster, werde er sich umbringen. Sam will das verhindern, verliert sich dabei jedoch zunehmend in Henrys düsterer Welt und beginnt schließlich, an seinem eigenen Verstand zu zweifeln.

Werbung

Für rational veranlagte Menschen stellt Marc Forsters Stay ein ziemliches Problem dar – der Film will sich nämlich nicht erklären lassen, er „funktioniert“ auch nicht, so wie narrative Filme das gemeinhin tun, geschweige denn, dass er einen Sinn ergibt, der sich ohne weiteres nachvollziehen und mitteilen lässt. Wer am Ende eine eindeutige Begründung mit nachhause nehmen möchte, für das was vor sich geht und wie alles miteinander zusammenhängt, der geht mit leeren Händen. Schlechteste Voraussetzungen also für einen Film im Kino der Gegenwart. Jedenfalls, wenn er nicht als „experimentell“ oder „avantgardistisch“ apostrophiert wird, was den Kreis der Rezipienten von vornherein und unnötig einschränkt. Und außerdem nicht stimmt. Nein, Stay muss man einfach aushalten – wie ein Einhorn auf einer Pferdekoppel.

Dabei beginnt es eigentlich harmlos. Psychiater Sam Foster (Ewan McGregor) übernimmt von einer beurlaubten Kollegin den Fall des nach einem Unfall schwer depressiven Henry Latham (Ryan Gosling). Er erzählt seiner Freundin Lila (Naomi Watts), der er einst nach einem Suizidversuch das Leben gerettet hat, von dem traurigen jungen Mann. Lila ist Malerin, Henry studiert Kunst, Sam will auch ihm das Leben retten. Schwierig gestaltet sich das aber nicht nur, weil Ryan Gosling seine Figur mit einer so entschlossenen Todesenergie anfüllt, dass sie wie ein schwarzes Loch wirkt, sondern vor allem, weil allerhand Eigenartiges zu geschehen beginnt: Warum hagelt es aus heiterem Himmel? Warum nennt Lila Sam „Henry“? Warum laufen in der Kunstakademie nur Zwillinge und Drillinge herum? Wieso glaubt Henry, Sams blinder Freund sei sein toter Vater? Warum fließen die Bilder ineinander, statt klar voneinander getrennt zu bleiben? Woher kommen all diese Déjà-vus, diese unwahrscheinlichen Raum-Zeit-Sprünge, diese Risse im Kontinuum? Und warum werden Sams Hosenbeine immer kürzer?

Entschlossen widersetzt sich Stay der Logik des wissenschaftlich-technischen Weltbildes und gehorcht stattdessen der irrationalen Logik jenes atmosphärischen Traumgebildes, das sich eine Seele auf ihrem Weg in den Tod phantasieren mag. Nicht die festgefügte, physisch fassbare Realität verbindet die Figuren und begründet ihre Handlungen, sondern eine emotionale Wirklichkeit, eine spirituelle Energie, die jede Grenze auflöst.Ein endlos faszinierender Film, der von einem unendlichen Moment handelt. Möglicherweise.