Lucy

Lucy

| Ernst Pohn |

Die 18-jährige Maggy weiß nicht so recht, welche Richtung ihr Leben mit ihrer wenige Monate alten Tochter nehmen soll.

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Das Durchschnittsalter, in welchem Frauen ihr erstes Kind zur Welt bringen, ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. In Österreich liegt es beispielsweise derzeit bei 28 Jahren. Doch es gibt sie nach wie vor, die jungen Mütter, die, selbst kaum erwachsen, schon Verantwortung für ein Baby tragen sollen. In ihrem sozialen Umfeld stellen sie oft eine große Ausnahme dar, was ihre Situation nicht gerade einfacher macht.

Maggy (Kim Schnitzer) ist eine solche junge Mutter, und mit 18 Jahren schon Alleinerzieherin, denn vom Vater ihrer Tochter Lucy hat sie sich getrennt. Durch den unbestimmten Wunsch, ihrem Leben eine neue Richtung zu geben, stolpert Maggy gleich wieder in eine neue Beziehung. Mit Lucy zieht sie bei ihrer Mutter aus und gleich bei ihrem neuen Freund Gordon ein.

Gemeinsam versucht das junge Paar ein ganz normales Familienleben zu führen und zwar so, wie es das vage von den erwachsenen Vorbildern kennt. Die beiden kaufen die erste Waschmaschine und glauben, die glückliche Familie würde sich damit automatisch einstellen. Doch irgendwie funktioniert alles nicht so, wie sie sich das vorgestellt hatten.

Regisseur Henner Winckler eignete sich durch zahlreiche im Vorfeld geführte Interviews ein gutes Gespür für die Lebenswelt der Jugendlichen an. Er betont besonders die Sprachlosigkeit in den Beziehungen. Probleme werden kaum erörtert und gegensätzliche Ansichten bleiben undiskutiert. Maggy kehrt ihre echten Bedürfnisse völlig nach Innen, gibt kaum Preis was sie wirklich will und denkt. Wohl auch deshalb, weil sie es selbst nicht weiß. Kleine Gesten und flapsige Mimik der Schauspieler deuten an, wie hier echte Emotionen unterdrückt werden. Umarmungen bleiben zögerlich, obwohl sie überschwänglich sein könnten, Blicke schweifen zur Seite, anstatt zielstrebig nach vorne zu gehen. Der Zuseher wird Zeuge sich aufstauender Gefühle, und Regisseur Winckler gelingt es, diese Spannungen mittels eines hervorragenden Timings seiner Inszenierung zu ent-

laden. Daneben unterstützen die Bilder der österreichischen Kamerafrau Christine A. Maier von kühl eingerichteten Wohnungen die wenig wärmende Umgebung, in der sich die Akteure bewegen. Viel nüchternes Weiß verdeutlicht die wenig aufregende Alltagswelt der jungen Protagonisten. Lucy zeigt eindrucksvoll das Dilemma, in dem sich die jungen Leute im unbestimmten Raum zwischen Verantwortungsgefühl und Freiheitsdrang befinden – nicht als großes Kino, jedoch als präzise Bestandsaufnahme.