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Was verbirgt sich hinter der Fassade des scheinbar perfekten Glücks? Und wenn es nur einer Kleinigkeit bedürfte, um diese Harmonie für immer aus dem Gleichgewicht zu bringen?

Alain Getty, ein junger und erfolgreicher Ingenieur, hat alles um glücklich zu sein: eine liebevolle Frau, einen tollen Job und ein modernes Eigenheim. Doch als er seinen neuen Chef und dessen Frau zum Abendessen einlädt, benimmt sich diese völlig daneben. In nur acht Minuten wird unserem jungen Traumpaar ein ätzendes Porträt dessen präsentiert, was auch aus ihnen werden könnte. Mit dem Fund eines seltsamen Nagetiers im Abflussrohr der Küchenspüle kündigt sich zudem der Einbruch des Unerklärlichen in ihren bisher so überschaubaren Alltag an.

Die Beziehungen zwischen den Menschen trüben sich, und in nur wenigen Szenen entsteht eine seltsam bedrückende Stimmung. Dominik Moll lässt den Zuschauer an der sich langsam beschleunigenden Höllenfahrt des jungen Mannes teilhaben, der nach und nach die Kontrolle über sein Leben und sämtliche Bezugspunkte verliert – bis hin zum Vertrauen in seine eigene Wahrnehmung.

Lemming ist einerseits ein Mystery-Thriller, der den Zuschauer über unerwartete Wendungen an die Grenzen des Unbegreiflichen führt. Zum anderen bietet der Film eine psychologische Selbstreflexion über die Fragen von Intimität und Treue, die Schwierigkeiten der Partnerschaft und die fundamentale Einsamkeit des Menschen. Im Lauf der Handlung berühren sich beide Erzählstränge immer häufiger; Albtraum und Realität sind zunehmend schwer voneinander zu unterscheiden. Doch alle möglichen Erklärungen sind letztlich nebensächlich. Was in diesen Szenen zählt, ist die abgrundtiefe Fassungslosigkeit im Blick des jungen Mannes.

Dominik Moll bedient sich klassischer Stilmittel wie langer Kameraeinstellungen, Dialogszenen in Blende-Gegenblende, knapper Dialoge in Verhör-Form, um die beklemmende Atmosphäre noch zu verstärken. Und je schlichter die stilistischen Mittel, umso effizienter die Effekte.

Lemming ist ein finsterer, gelungen inszenierter Psychothriller, der sehr rhythmisch und in reinen, fast steril wirkenden Bildern den Abstieg der Hauptfigur seziert. Die zweite Hälfte des Films leidet gelegentlich unter Längen und übermäßig erläuternden Details. Je mystischer die Intrige, umso mehr riskiert Moll, in eine Karikatur abzugleiten. Doch verdankt der Film nicht zuletzt dem hervorragenden Darsteller-Trio Gainsbourg-Lucas-Rampling, dass die Komplexität des psychologischen Huis-Clos glaubwürdig bleibt.