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Wicker Man – Ritual des Bösen

Wicker Man – Ritual des Bösen / The Wicker Man

| Harald Mühlbeyer |

Ein von Schuldgefühlen geplagter Cop sieht sich mit einer unheimlichen Sekte und deren finsteren Geheimnissen konfrontiert.

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Auf Summersisle, einer kleinen, abgelegenen Insel vor der amerikanischen Pazifikküste, dominiert ein archaischer, matriarchalisch geprägter Kult das Leben der dort ansässigen Menschen. In diesen Mikrokosmos mit adretten Häusern, gepflegten Gärten, dienstbaren, stummen Männern und heidnischen Fruchtbarkeitsritualen verschlägt es den Highwaypolizisten Edward Malus (Nicholas Cage). Seine Ex-Verlobte bittet ihn, ihre vermisste Tochter zu suchen, und Malus dringt bei der Suche in diese weiblich bestimmte Gesellschaft ein. Das sind dann auch die stärksten Szenen von Wicker Man, wenn der polternde Gesetzeshüter auf ein Umfeld trifft, das er nicht versteht, wo seine Cop-Mentalität einfach fehl am Platz ist. Summersisle steht außerhalb seines gedanklichen Kosmos, zudem ist er dort dem ungewohnten Verlust seiner Autorität ausgesetzt. Mit der geheimnisvollen Welt des Weiblichen ist der Polizist nicht vertraut – und dem Film wäre besser bekommen, hätte sich Neil LaBute mehr auf das Thema der Geschlechterbeziehungen verlassen, sein ureigenes filmisches Terrain. Doch da ist auch noch eine Vorgeschichte, Malus ist wegen des von ihm verschuldeten Unfalltodes einer Frau und ihrer Tochter traumatisiert. Das soll seinem Charakter wohl mehr Tiefe geben, verwässert aber letztendlich die angestrebte Konfrontation der Geschlechterrollen.

Malus’ Alpträume und Halluzinationen werden von der Inszenierung immer wieder in den Mittelpunkt gerückt, der Zweck scheint aber vielmehr darin zu liegen, den Zuschauer in die Irre zu führen und mit kleinen Schockeffekten zu erschrecken, als die Geschichte voranzubringen. Auch das metaphorische Bienen-Leitmotiv wird zu stark ausgereizt: Im auf die Königin ausgerichteten Bienenstaat spiegelt sich die Gesellschaftsform von Summersisle wider, Honig ist dementsprechend das landwirtschaftliche Haupterzeugnis der Insel. Natürlich ist Malus allergisch gegen Bienenstiche, in einer Szene wirft er tölpelhaft einen Bienenstock um, wird von den Insekten verfolgt, hüpft panisch über wabenförmige Felder; hier wird der Film tatsächlich unfreiwillig komisch.

Erst wenn gegen Ende blinde, grinsende Zwillinge, Frauen in grausigen Vogelmasken oder mit Bärten aus Bienen auftauchen, wenn Malus im Bärenkostüm ein Fruchtbarkeitsritual sprengt, dann ergibt sich eine groteske Atmosphäre, die zwingend und konsequent im bösen, abgründigen Schluss mündet.