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A Prairie Home Companion – A Touch of Altman

A Touch of Altman

| David Serong |

Mit „A Prairie Home Companion“ erzählt Robert Altman einmal mehr eine Geschichte menschlichen Zusammenlebens. Ein Spaziergang durch die Filme des mittlerweile 81-jährigen Regieveteranen.

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Die Hauptfiguren seiner Filme sind Armeeärzte im Koreakrieg, Adelige und ihre Bediensten bei einer Landpartie, alltägliche Menschen in Los Angeles oder – wie jetzt aktuell in A Prairie Home Companion – die Menschen und Figuren einer Radio-Show. Die Handlung ist meist unspektakulär und oft nicht einmal zielgerichtet, dennoch ist er einer der größten Geschichtenerzähler Hollywoods. Die Rede ist von dem Regie-Altmeister Robert Altman.

Hauptsache Hollywood

Geboren 1925 in Kansas City, ging der Sohn eines Versicherungskaufmanns nach seiner Ausbildung an einer Militärakademie als Bomberpilot in den Zweiten Weltkrieg. Nach seiner Entlassung aus dem Militärdienst begann sich seine Begeisterung für den Film zu manifestieren. Er ging nach Hollywood, um seinen Fuß ins Filmgeschäft zu kriegen. Die ersten Jahre an der Westküste wurden aber zur Enttäuschung: Lediglich eine Komparsenrolle und ein Drehbuch für Richard Fleischer kamen als zählbare Ergebnisse dabei heraus. Schon nach knapp zwei Jahren kehrte er in seine Heimatstadt zurück. Durch Empfehlung eines Freundes erhielt er 1950 eine Anstellung bei der Calvin Company, einer Produktionsfirma für Dokumentar- und Industriefilme. In den kommenden fünf Jahren drehte er über 60 Filme zu allen möglichen Themen.

Diese Jahre waren seine Lehrjahre, denn bei der Calvin Company lernte er nicht nur die notwendigen technischen Dinge, um einen Film zu drehen, sondern auch, unter wirtschaftlichem und zeitlichem Druck zu arbeiten. Mit winzigem Budget drehte Altman 1957 schließlich seinen ersten Langfilm: The Delinquents. Der Film hatte nicht viele Zuschauer, wohl aber einen wichtigen: Niemand Geringerer als Alfred Hitchcock wurde auf den jungen Regisseur aufmerksam und ließ ihn in der Folge für seine Fernsehserie Alfred Hitchcock presents bei zwei Episoden (Together und The Young One) Regie führen. Altman war in Hollywood angekommen, wenn auch zunächst nur beim Fernsehen. Die nächsten acht Jahre war er als Regisseur und Autor bei Serien wie Peter Gunn, Maverick und Bonanza beschäftigt. Auf seinen endgültigen Durchbruch musste er allerdings noch bis 1970 warten.

Wie es der Zufall will

Zahlreiche Regisseure hatten es vor Altman abgelehnt, das Drehbuch zur Kriegssatire M*A*S*H zu verfilmen, doch der im Fernsehen erprobte Altman witterte zu Recht seine Chance, mit diesem Film groß heraus zu kommen, lagen doch das Thema und der schwarze, bittere Humor genau auf seiner Wellenlänge. M*A*S*H wurde sowohl bei Kritikern, als auch beim Publikum ein Riesenerfolg und in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet – spätestens jetzt war der Name Robert Altman ein Begriff.

Schon in M*A*S*H lässt sich Altmans eigener Stil feststellen: Seine Protagonisten sind keine Helden im eigentlichen Sinn, sondern Menschen, die der Zufall in ihre jetzige Position gespült hat. Altman will diese Menschen auf der Leinwand zum Leben erwecken und ihnen Authentizität verleihen. Dialoge überlappen sich, Geschichten laufen parallel und die erzählte Zeit ist kurz. Die quasi dokumentarische Kamera, die die Figuren eher begleitet als zu kommentieren, und Musik, die oftmals ihren direkten Ursprung in der Filmhandlung findet, sind weitere Mittel, mit denen Altman seinen Filmen seine Note, den „Altman-Touch“, gibt.

In den folgenden Jahren entwickelt er seinen Stil mit Filmen wie McCabe & Mrs. Miller (1971), The Long Goodbye (1973) und Thiefs Like Us (1974) entscheidend weiter, bis er schließlich mit Nashville (1975) einen weiteren großen Erfolg feiert. Der Film erzählt fünf Tage im Leben einiger Menschen, die in der Hauptstadt der Country-Musik ihr Glück suchen. Mit Nashville ist Altman eine hervorragende Milieustudie des Musikgeschäftes gelungen, und das mit seiner eigenen Handschrift: Er lässt seine Figuren zum größten Teil unabhängig voneinander agieren und Handlungsstränge sich nur selten kreuzen. Und erzählt dabei keine wirkliche Geschichte, sondern ermöglicht seinem Publikum einen ungetrübten Blick in einen Teil des Alltags.

Dieser große Erfolg sollte sich trotz sieben Filmen in den nächsten fünf Jahren nicht wiederholen. Zwar kamen Arbeiten wie A Wedding (1978) und Quintet (1979) bei der Kritik gut an, ein breites Publikum blieb ihnen jedoch verwehrt. Gerade der Versuch, dieses wiederzugewinnen, sollte zum Tiefpunkt in Altmans Karriere werden: Die Comicverfilmung Popeye mit Robin Williams in der Titelrolle war schnell als künstlerische Katastrophe verschrien, verschwand sang- und klanglos aus den Kinos und hätte um ein Haar die Karriere seines Regisseurs und seines Hauptdarstellers zerstört. Altman wandte nach diesen Misserfolgen den USA den Rücken und setzte sich nach Frankreich ab.

Geschichte vom Leben

Doch für einen Filmemacher wie Altman waren und sind, trotz aller Kritik von seiner Seite, die Bedingungen in Hollywood am besten, und nach einigen Jahren selbst gewählten Exils, die er mit ein paar europäischen Filmen (Vincént et Theo, 1990) und TV-Produktionen überbrückte, kehrte er fulminant in die Filmmetropole zurück: The Player von 1992 ist eine bitterböse Abrechnung mit dem Produzenten-System Hollywoods. Gestützt wurde Altmans Comeback von einer bisher kaum da gewesenen Anzahl an Gastauftritten der größten Stars, beinahe 60 – von Steve Allen bis Bruce Willis – gaben sich hier die Klinke in die Hand. Robert Altman war zurück.

Short Cuts von 1993 stellt das vielleicht reinste Beispiel für den Altman-Touch dar. Ohne offensichtlichen Zusammenhang wandert hier die Kamera durch das Leben in Los Angeles und erlaubt uns einen kleinen Einblick in das Seelenleben dieser Millionenstadt. Aus vielen kleinen Details erschuf Altman ein Polyptychon des menschlichen Lebens.

Seitdem dreht der inzwischen 81-Jährige konstant Filme, darunter Prêt-A-Porter (1994), Kansas City (1996), The Gingerbread Man (1998) oder Mr. T and The Women. 2001 entsteht mit Gosford Park sein bislang letzter großer Kinoerfolg, ein Kriminalfilm über einen Mord bei einem Familientreffen, in dem die Tat und dessen Lösung jedoch lediglich beiläufig geschehen: In meisterlicher Manier dreht sich der Film, den Schauplatz eines englischen Landhauses architektonisch und kameratechnisch nützend,  um das sich immer bewegende Spiel zwischen Upstairs und Downstairs, den Bediensten und ihren Herrn.

Nun liefert A Prairie Home Companion ein weiteres Beispiel für den Altman-Touch. Der Film zeigt den letzten Abend der gleichnamigen, live gesendeten Radio-Show, die – nachdem sie 30 Jahre lang ausgestrahlt worden ist – durch ein neues Management abgesetzt werden soll. Der wirkliche Gründer und Showmaster der Sendung, Garrison Keillor, hat für Altman nicht nur das Drehbuch geschrieben, sondern spielt sich in der Filmversion auch selbst. Neben ihm treten sowohl Musiker auf (etwa Lili Tomlin und Meryl Streep als Überbleibsel einer einst erfolgreichen Musikerfamilie), als auch Figuren, die Keillor für Sketche in seiner Show kreiert hat (etwa Woody Harrelson und John C. Reilly als komisches Country-Cowboyduo und Kevin Kline als Guy Noir, die Parodie eines Film Noir-Detektivs). A Prairie Home Companion ist eine nostalgische Erinnerung an die glorreichere Zeit des Mediums – und Altmans Film eine Verneigung vor dieser Ära, ein dem Radio gesetztes filmisches Denkmal.

Altman ist einer jener Regisseure, die einen unverkennbaren Stil besitzen und denen es auch meist gelungen ist, diesen Stil gegen Produktionszwänge durchzusetzen, auch wenn er selten den Geschmack eines großen Publikums trifft. Dieses Jahr wurde er mit dem Oscar für sein Lebenswerk ausgezeichnet, was er für sich selbst als passend bezeichnet. Denn Altman will nicht den einen großen Film drehen, er will Bilder vom Leben zeigen, und dann erzählen sich Geschichten meist von selbst.