ray Filmmagazin » Drama » Bamako

Im Innenhof eines Hauses in Bamako findet ein Prozess statt. Vertreter der ärmsten Länder Afrikas beschuldigen die Weltbank, den Internationalen Währungsfond und die Welthandelsorganisation, an der katastrophalen Situation des afrikanischen Kontinents entscheidend mitschuldig zu sein.

Werbung

Gerade weil ein solcher Prozess unvorstellbar ist, musste er erfunden werden. Der Utopie der Ausgangssituation bewusst, bietet Abderrahmane Sissako keinen schwer verdaulichen Gerichtsfilm, sondern eine unterhaltsame politische und poetische Fabel, die weitergeht als viele engagierte Dokumentarfilme. Denn ist der Prozess auch fiktiv, so hat der Regisseur fast ausschließlich wirkliche Anwälte, Richter und Zeugen ausgewählt und sie ihren Text selbst schreiben lassen. Der Film erteilt somit jenem Afrika das Wort, dem sonst selten Gehör geschenkt wird. Wie bei einer Dorfversammlung treten Arbeiter, Bauern, Männer und Frauen an die Anklagebank und erzählen ihre Sicht über den Zustand der Armut und die Mitverantwortung der internationalen Institutionen, die nicht zuletzt über die als unrechtmäßig empfundenen Schulden zur Verarmung Afrikas beitragen.

Die Szenen des nach den Regeln der Justiz abgehaltenen Prozesses wurden mit mehreren unbewegten Kameras gefilmt, um den realistischen Effekt noch zu verstärken. Überhaupt nimmt sich Bamako viel Zeit und passt seinen Rhythmus dem überlegten Tempo der Zeugenaussagen und Plädoyers an. Während die Anwälte aufeinander treffen, folgt das Leben im Innenhof seinem gewohnten Lauf. Nur wenige Schritte von den Tischen entfernt färben Frauen Stoffe, spielen Kinder, stirbt ein Mann an Aids, trennt sich ein Paar; manche nehmen den Prozess kaum zur Kenntnis, andere hören schweigend zu. Durch die Verschachtelung der Erzählungen verwischt der mauretanische Regisseur bewusst die Wahrnehmung zwischen privatem und öffentlichem Raum, zwischen politischer Rede und täglicher Realität. Auch in diesen Szenen wurden nur wenige Schauspieler eingesetzt. Kleine Fiktionen bereichern zudem die Ausführungen der Anwälte oder Zeugen, wie der Einschub eines Westerns, in dem weiße, aber auch schwarze Cowboys aus purem Spaß Afrikaner erschießen. Sissako vermischt geschickt die Genres, um in farbigen und klaren Bildern verschiedene Aspekte eines Kontinents zu zeigen, der lebt, weint, singt und stirbt.

Bamako ist eine politische Parabel, die mit zahlreichen Klischees aufräumt: Sie zeigt ein Afrika, das nicht jammert, sondern seine Wut herausschreit, das nicht um Hilfe bittet, sondern seine Rechte geltend macht. Abderrahmane Sissako geht sehr viel weiter als die abgedroschenen Phrasen über die Schwächen der Globalisierung und das Nord-Südgefälle, und liefert, künstlerisch mutig, einen der relevantesten Filme über Afrika überhaupt.