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Le voyage en Armenie

| Andrea Florentin |

Annas Vater ist schwer erkrankt. Doch statt sich in Frankreich der notwendigen Operation zu unterziehen, verschwindet er nach Armenien, in das Land seiner Kindheit. Anna begibt sich auf die Suche nach ihm.

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Anna ist zu Beginn ihrer Reise eine leicht arrogante, über alle Zweifel erhabene Kardiologin und frühere Kommunistin, die fest davon überzeugt ist, immer das Richtige zu tun. Doch vor Ort verliert sie die Kontrolle – über die Situation zuerst, dann über sich selbst und ihre vermeintlichen Gewissheiten.

Die erzwungene Reise in ein Land das sie nicht kennt, und vor allem nicht kennen lernen will, wird für sie genau das, was ihr Vater beabsichtigt hatte: eine Initiationsreise. Anna entdeckt ein Land im Umbruch, zerrissen zwischen seiner Vergangenheit als unterdrückte Sowjetrepublik einerseits, einer chaotischen wirtschaftlichen Entwicklung andererseits, die Dealern aller Art die Tore öffnet.

Mit ihrem Blick einer reichen Touristin und den dazugehörenden Vorurteilen wirken Annas erste Schritte in der Fremde oft ungeschickt. Doch nicht zuletzt die Begegnungen machen ihren Blick zunehmend feinfühliger: Der gutmütige, alte Chauffeur, der ihr die Stadt zeigt, die junge Friseurin, die von einer Zukunft im Ausland träumt, der französische Arzt, der mit minimalen Mitteln auskommen muss, der pragmatische Offizier, der zahlreiche Fäden in den Händen hält, sich dafür aber mit oft unmoralischen Zuständen arrangiert – jede dieser Figuren verkörpert einen Aspekt Armeniens. Und alle besitzen, was Anna nach dem Untergang des Kommunismus verloren hatte: einen Traum, ein Ideal. Im Laufe ihres Aufenthalts wird sie sich zunehmend in dem Land ihres Vaters wieder erkennen, und an ihrer eigenen Identität zu zweifeln beginnen, an ihrem gesellschaftlichen Engagement, an ihrer Ehe.

Mit seinen langen Kamerafahrten, seinem langsamen Rhythmus und dem feinfühligen Blick auf die Menschen bleibt Robert Guédiguian seinem Stil treu. Doch was als Initiationsreise begonnen hatte, leidet zunehmend an einer Vielzahl sich miteinander vermischender Genres, mit denen der Regisseur zu viele Themen gleichzeitig behandeln will: Bildungsreise, Komödie, Drama, aber auch gespielter Dokumentarfilm mit schwer pädagogisch klingenden Monologen und ein wenig glaubwürdiger Krimi.

Diese Übertreibungen lassen irgendwann auch das Spiel der an sich hervorragenden Darsteller überzogen wirken. Je mehr verschiedene Aspekte Robert Guédiguian in seinen Film zu packen versucht, und so mehr droht er den Faden seiner an sich gelungenen und bewegenden Geschichte zu verlieren.