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Little Miss Sunshine

| Erwin Schotzger |

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Roadmovie um die skurrile Familie Hoover, die samt Heroin schnupfendem Großvater und selbstmordgefährdetem Onkel in einem alten VW-Bus ihren Träumen von Glück und Erfolg hinterher jagt.

Simplifizierten Erfolgsformeln zufolge existieren nur zwei Arten von Menschen: Gewinner und Verlierer. Und genau am schmalen Grat dieser Unterscheidung jagt die Familie Hoover in Little Miss Sunshine ihren Träumen hinterher. Olive, die siebenjährige Tochter, kann endlich an einem Schönheitswettbewerb teilnehmen. In einem alten VW-Bus macht sich die sechsköpfige Familie auf ins sonnige Kalifornien. Was folgt, ist kein rasant montiertes Roadmovie, wie es die Vergangenheit des Regieduos Jonathan Dayton und Valerie Faris als Musikvideo- und Werbefilmer erwarten ließe. In ihrem Spielfilmdebüt punkten die beiden mit einer Story, die auf höchst einfühlsame und überaus komische Weise den Schönheits- und Erfolgswahn der Gesellschaft in Frage stellt.

Die Reise beginnt nicht als Flucht einiger vermeintlicher Verlierer vor gesellschaftlichen Anforderungen, welche sie nicht mehr erfüllen können und wollen. Die Hoovers sind vielmehr auf der Jagd nach ihrem Anteil an den viel gerühmten Erfolgschancen, die nur darauf warten ergriffen zu werden. Dabei nimmt der Film geschickt die Kurve zum Familiendrama vor dem Hintergrund eines neuen Kapitalismus und seines Wertesystems. Die kleine Olive will unbedingt gewinnen, aber größer noch als die Lust auf den Sieg ist die Angst vorm Verlieren. Ihr Vater Richard ist Motivationstrainer und ein wahrer Prediger neoliberaler Phrasen, denen er selbst nicht gerecht werden kann. Seine Tochter fürchtet daher nichts mehr, als seinen Normen von Glück und Erfolg nicht zu entsprechen. Niemals aufgeben, niemals seine Träume aus den Augen verlieren – auch wenn sie in ungreifbarer Ferne liegen. Nur Loser geben auf. Wer nicht zumindest eine der unzähligen Chancen ergreift, der hat es nicht richtig versucht.

Kapitalistische Werte in einem Spielfilm zu kritisieren, nötigt zur Vorsicht, nicht in Plattitüden abzugleiten. Dass Geld allein nicht glücklich macht, darf als bekannt vorausgesetzt werden. Dank einem Drehbuch, das auf das Wechselspiel der Charaktere setzt, dank der hervorragenden Besetzung und dem Spiel mit den Erwartungshaltungen des Publikums, schaffen es die Regisseure aber weitgehend, Klischees oder allzu rührseligen Kitsch zu vermeiden. Letztendlich erzählt Little Miss Sunshine überzeugend die Geschichte von Menschen, die ehrlich versuchen, nur eine einzige der vielen versprochenen Chancen zu ergattern. Und tatsächlich wird auf der Jagd nach dem Traum vom Erfolg vieles möglich. Aber – wie immer im Leben – ganz anders als geplant.