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Der gute Hirte

| Holger Römers |

Psychogramm eines Geheimdienstmitarbeiters, der in der Ära des Kalten Krieges eine Führungsposition in der CIA erreicht.

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In einer Szene, die nur wenige Sekunden dauert, bekommen wir den Protagonisten von The Good Shepherd auf der Bühne eines Studententheaters zu sehen: ausgelassen singend, bunt geschminkt und in Frauenkleidern. Der heitere Ton und das warme Licht, die den Beginn dieser Rückblende prägen, geben einen denkbar starken Kontrast zu den vorangegangenen Sequenzen ab, die in kühlen, grau verschleierten Bildern und mit ausgesucht wenigen Worten den späteren Alltag von Edward Wilson als leitendem CIA-Beamten geschildert haben. Und genau dieser Kontrast steht unausgesprochen im Zentrum von Robert De Niros zweiter Regierarbeit, die davon handelt, wie Geheimniskrämerei, wenn sie zum Beruf und zur Berufung wird, jede Chance auf ein erfülltes Leben erstickt. Die besagte Szene lässt nämlich subtil erahnen, dass Wilsons Leben, sowie seine Persönlichkeitsentwicklung, eine völlig andere Richtung hätten nehmen können.

Der dominante Handlungsstrang von The Good Shepherd ist 1961, vor dem Hintergrund des Fiaskos in der Schweinebucht, angesiedelt. Nachdem die geplante Invasion Kubas kläglich gescheitert ist, muss Wilson, als einer der Verantwortlichen der Operation, einen vermeintlichen Verräter in den eigenen Reihen suchen, wobei ein verschwommener Film und ein verrauschtes Tonband ominöse Anhaltspunkte liefern.

Dieser Agententhriller-Plot scheint De Niro indes kaum zu interessieren, denn er behält über fast die gesamte Dauer des Films einen spröden Ton bei, der jedwede Thriller-Wirkung beharrlich konterkariert. Wenn er seine Figuren todernst Codewörter aufsagen und Geheimtreffen veranstalten lässt, führt er uns statt dessen – ganz unironisch und beiläufig – den albernen Aspekt der Spionagetätigkeit vor Augen, deren bürokratischer Aspekt wiederum durch die unübersichtliche Abfolge von Auftritten prominent besetzter CIA-Beamter suggeriert wird. Dass Zusammenhänge unklar bleiben, scheint dabei – ähnlich wie in Syriana – der stets nur Ausschnitte preisgebenden Geheimdienstperspektive ebenso angemessen wie Kameramann Robert Richardsons Stilmittel, Details herauszuheben und die Schärfe zu verlagern.

So entpuppt sich The Good Shepherd als eine Charakterstudie Wilsons, dessen Kriegszeit beim CIA-Vorläufer OSS und zerrüttete Ehe in Rückblenden angerissen werden. Dass uns der Mann dabei bis zuletzt ein Geheimnis bleibt, ist – weil es sich konsequent aus dem Stoff und der strengen Form ergibt – umso reizvoller.