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Taxidermia

| Günter Pscheider |

Bildgewaltiger Episodenfilm über das Unglück der erzwungenen sexuellen Abstinenz, den unmenschlichen Druck des Wettfressens und den Anspruch, das perfekte Kunstwerk zu schaffen.

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Im neuen Film von György Palfi wird, wie schon in seinem viel beachteten Erstling Hukkle, nicht viel geredet. Der Körper spricht dafür eine umso deutlichere Sprache: In der ersten, mit Abstand düstersten Episode, wird ein Soldat in einer verlassenen Randzone des Zweiten Weltkriegs ständig von seinem Vorgesetzten gedemütigt. Sein einziger Lebensinhalt ist sein Penis. Er masturbiert, bis sein Organ buchstäblich in Flammen steht und träumt von den schönen, unerreichbaren Töchtern seines Peinigers. In verwaschenen Farben und in streng kadrierten Bildern umkreist die Kamera erbarmungslos das unstillbare Begehren von Gottes wahrhaft einsamstem Mann. Als sich eines Tages die matronenhafte Frau des Hauses in seinen Stall schleicht, gerät er zwar in eine rauschhafte sexuelle Ekstase, bezahlt aber für das kurze Vergnügen mit seinem Leben.

Sein Sohn ist Ungarns große Hoffnung in der feierlich zelebrierten Disziplin des Wettfressens. Innerhalb kürzester Zeit muss der Sieger eine gewaltige Menge verschlingen und sofort wieder auskotzen. Der schüchterne Fleischberg verliebt sich in eine Kollegin, die ihn allerdings schon am Hochzeitstag mit seinem größten Konkurrenten betrügt. Palfi inszeniert den Sportwahn, den Erfolgsdruck des kommunistischen Regimes und wohl auch der kapitalistischen Gesellschaft mit einer redundanten  Serie von Kotzorgien, bei denen das Erbrochene fontänenhaft aus den gemarterten Körpern der Wettfresser strömt.

In der dritten Episode kümmert sich sein erstaunlich kleinwüchsiger und drahtiger Sohn widerwillig um den völlig unbeweglichen, massigen Vater. Er stopft Tiere aus und beschließt nach dem grausigen Tod seines Erzeugers das perfekte, die Zeit überdauernde Kunstwerk zu schaffen. Er konstruiert eine Maschine, mit deren Hilfe er seinen Körper bei lebendigem Leib selbst für die Ewigkeit konservieren kann.

Taxidermia erschlägt den Zuschauer fast mit seinen monströsen, teilweise schockierenden Bildern. Leider sind die Rahmenhandlung zu dürftig und der Tonfall der Episoden zu unterschiedlich, um die am Anfang aufgebaute Spannung durch zuhalten. Die vielen möglichen philosophischen Implikationen des Themas Körper-Seele werden bestenfalls angedeutet, die Figuren bleiben eindimensional; an ihrem Schicksal Anteil nimmt man nur in der grandiosen ersten Episode. So bleibt die perfekte Oberfläche der Bilder in Erinnerung, der Inhalt und die Substanz des Erzählten werden schnell wieder vergessen.