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Das Fräulein

| Walter Gasperi |

In Zürich kreuzen sich die Wege von drei Frauen aus Ex-Jugoslawien.

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Seit 25 Jahren lebt die Serbin Ruza in Zürich, hat sich hochgearbeitet und führt inzwischen eine Betriebskantine. Die Erinnerung an ihre Heimat verdrängt sie. Nicht nur jede Geste und jeder Blick, sondern auch ihre Kleidung und ihr Gang zeigen, wie zugeknöpft, verschlossen und innerlich erkaltet die 50-jährige Migrantin ist, die von ihren Angestellten nur „Das Fräulein“ genannt wird.

Gegenpol dazu ist die 22-jährige Bosnierin Ana, die maximalen Genuss aus dem Leben zu ziehen versucht, Nächte in Discos durchtanzt, offen auf die Menschen zugeht, dabei letztlich aber auch vor allem die Gedanken an ihre schwere Krankheit und das Kriegstrauma verdrängen will. Wie ein Katalysator weicht diese junge Frau mit ihrer Vitalität und Freundlichkeit den äußeren Panzer Ruzas langsam auf. Und als Dritte führt die 1973 als Tochter bosnisch-kroatischer Eltern in der Schweiz geborene Regisseurin Andrea Staka die 60-jährige Kroatin Mila ein. Die Angestellte von Ruza bleibt eine Nebenfigur, ist aber dennoch sehr präsent mit ihrem Traum von einer Rückkehr in die ehemalige Heimat.

Schematisch mag die Anordnung mit drei Ethnien, drei Generationen, drei unterschiedlichen Arten des Umgangs mit dem Verlust von Heimat wirken, doch Stakas feinfühlige Inszenierung und drei großartige Schauspielerinnen lassen diese konstruierte Ausgangssituation völlig vergessen und machen Das Fräulein sowohl zu einer leisen Reflexion über Ex-Jugoslawien als auch zu einem bewegenden Drama über Verdrängung, Lebensgier und verlorene Träume.

Bestechend wird die Handlung in ein genau und atmosphärisch dicht gezeichnetes Milieu eingebettet. Die winterliche Schweiz, die sorgfältig, aber nie aufdringlich gesetzten Blau- und Grautöne sowie das kalte Neonlicht der genau kadrierten Bilder evozieren eindringlich ein Klima der emotionalen Kälte. Dichte gewinnt Andrea Stakas Spielfilmdebüt aber auch durch die stimmigen Dialoge und die schnörkellose Erzählweise.

Äußerlich passiert nicht viel, doch jede Szene hat in diesem Film der kleinen Momente eine Funktion. In wenigen, dem Vorspann vorangestellten Einstellungen vom Schneiden von Bäumen findet sich ein ebenso prägnantes Bild für die Entwurzelung wie im Fabriksschild „Härterei“ ein Verweis auf Ruzas Psyche. Durchgängig spiegelt sich so pointiert im Äußeren das Innere, in einer Fahrt ins weite Gebirge die Öffnung und im Casinobesuch der Gegensatz zwischen der risikobereiten Spielerin Ana und der in ihrem Sicherheitsstreben das Leben verpassenden Ruza.