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4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage

| Alexandra Seitz |

Im kommunistischen Rumänien des Jahres 1987 steht Abtreibung unter Strafe. Gabita riskiert es trotzdem. Cristian Mungius Drama wurde in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet.

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Gabita und Otilia sind Studienkolleginnen, Zimmergenossinnen, Freundinnen. Gabita ist schwanger und will eine, im Rumänien Ceausescus, streng verbotene Abtreibung vornehmen lassen. Otilia will Gabita beistehen, sie begleiten und ihr helfen. Es wird ein höllischer Tag, einer jener schwarzen Tage, die man ein ganzes Leben lang vergeblich zu verdrängen versucht. Cristian Mungiu berichtet über diesen einen Wintertag des Jahres 1987 in 4 Monate, 3 Wochen Und 2 Tage aus großer Nähe und auf Augenhöhe. Minute um Minute zeichnet er gewissenhaft auf, wie ein wachsamer Chronist, scheinbar neutral. Doch stellt das Wie des Beobachtens – die Handkamera, die förmlich am Geschehen klebt, insistierend in Gesichter starrt, seismografisch Bewegungen festhält – eine Intimität her, die den enormen Druck, der auf Gabita und Otilia lastet, nicht nur auf der Leinwand nachvollzieht, sondern als atemlose Spannung unmittelbar in den Zuschauerraum weiterleitet. Bis schließlich auch wir zerquetscht zu werden drohen.

Was Mungiu mit seinem Verzicht auf narrative Stilisierung (der zugleich den stilisierten Einsatz dokumentarischer Mittel darstellt) gelingt, ist, von der Demütigung und vom einschneidend Entwertenden der Erfahrung der beiden jungen Frauen auf eine Weise zu erzählen, die über das rein Faktische einer strafbaren Abtreibung hinaus in Richtung fundamentaler Systemkritik zielt. Nicht die Gewissensfrage des Schwangerschaftsabbruchs ist das Thema, sondern wie sich eine repressive politische Struktur auf die zwischenmenschlichen Verhältnisse auswirkt. Misstrauen und Angst machen verwundbar; Herr Bebe, der Engelmacher, dem sich Gabita ausliefert, bezieht aus dieser existenziellen Not eine sadistische Befriedigung. Geschäftsmäßig vergewaltigt er die Frauen, bevor er ihnen „hilft“. Schmerzhaft intensiv vollzieht sich das Umschlagen vom ohnehin ungleichen Macht- in ein brutales Gewaltverhältnis.

Vier Monate, drei Wochen und zwei Tage ist es alt geworden, das ungewollte Menschenwesen, das schließlich auf den kalten Fliesen im Bad des Hotelzimmers liegt, bevor es in einem Müllschlucker verschwindet. Mungiu wendet auch diesmal den Blick nicht ab. Schreckliche Sekunden dehnen sich, lang und länger steht das Bild. Und mit einem Mal wird hinter der Haltung des Chronisten noch etwas anderes erkennbar: Augen voll Zorn und voll Mitleid, Augen voll wütender Tränen, ratlos nach einem Grund suchend.