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Die Herzogin von Langeais

| Hans Christian Leitich |

Unter Jacques Rivettes verschmitzter Anleitung erwecken Jeanne Balibar und Guillaume Depardieu einen Balzac-Schmöker zum Leben.

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Als unlängst eine deutsche Gesamtedition der Romane von Honoré de Balzac auf den Markt kam, hatte der Verleger die Idee,
diese in Bordeauxweinkisten auszuliefern. Eine sinnige Geste, auch hinsichtlich einer Balzac-Verfilmung, die mit ihrem gemessenen Dahinschreiten nicht rauschhaft konsumiert werden will, sondern wie guter Rotwein peu à peu genippt. Sie passt auch zu Regisseur Rivettes Entscheidung, die männliche Hauptrolle mit dem Rebellensohn von Frankreichs berühmtesten Showbiz-Weinbauern zu besetzen. Dem bockig-trotzigen Guillaume Depardieu wird nun die gedehnt graziöse Jeanne Balibar gegenübergestellt – zwecks eines auf aristokratischen Parketten ausgetragenen Tauziehens um Begehren und Eitelkeiten, das recht sadomasochistisch abläuft: Ein angeschlagener Revolutionär ringt bis zum bitteren Ende mit einer Wiedergängerin des Rokoko – ein Spiel mit historisch-literarischem Hintergrund.

La Duchesse de Langeais wurde bald nach der Bürgerrevolution von 1830 geschrieben – der Balzac misstraute, obwohl er ihr als Pseudo-Aristokrat eigentlich zugehörig sein sollte –, die Erzählung ist in der Epoche davor angesiedelt, der Restauration. Der Wiener Kongress hatte 1815 Napoleon final verbannt und die unpopulären Bourbonen wieder auf den Thron gehievt. Und die Duchesse (Balibar) steht für die satte Arroganz des Ancien Régime, so wie der Afrikaforscher und General (Depardieu) für den Sturm-und-Drang-Geist des ruhelosen Bonapartismus. Sie differenziert zwischen Vernunftehe und Liebschaft als Neigung wie Kunstform, er beharrt auf napoleonischem Eroberergeist. Das alles wird in einer großen Rückblende erzählt: Die Herzogin wird als Nonne der barfüßigen Karmeliterinnen eingeführt, und der General rüttelt buchstäblich an Klostergittern – Balzac hatte ein großes Faible für Pathos-Ausprägungen, von Katholizismus wie Freimaurertum. Rivette, bald 80, hat viel Routine in reflektiert-distanzierten Literaturadaptionen. Bevorzugte Kameraeinstellung ist die Halbnahe, die kammerspielartige Räume eröffnet, in denen Posen, Drapierungen und große Gestik sich wirkungsvoll entfalten. Licht und Ton hofieren alte Gemäuer, Kerzen flackern, Tafelparkett knarrt. Und Filmhistorie wird bedient: Depardieus Auftreten erinnert oft an den Cyrano seines Vaters, Balibar wäre die perfekte Joséphine eines Napoleon-Biopics, Michel Piccoli und Bulle Ogier paraphrasieren ihr Duett in Manoel de Oliveiras Belle toujours.