Ennio Morricone über Lampenfieber, Inspiration und die falsche Verklärung früherer Filmmusiken.
Bei öffentlichen Auftritten wirken Sie immer sehr angespannt. Was bedeuten Ihnen die zahlreichen Preisverleihungen, bei denen man Sie zuletzt immer öfter für Ihr Lebenswerk ehrte?
Normalerweise bin ich schüchtern, was Auftritte in der Öffentlichkeit angeht. Ich spreche nicht gerne vor Publikum, daher meine Anspannung. Nur als ich den Oscar für mein Lebenswerk bekommen habe, fühlte ich mich stark. Ich stand vor diesem enorm großen Publikum der Academy, und plötzlich erhoben sich alle Leute und applaudierten. Das war sehr emotional. Auszeichnungen sind natürlich immer eine große Ehre.
Stimmt es wirklich, dass Sie mit sechs Jahren Ihre ersten Stücke komponiert haben?
Das stimmt. Allerdings waren das keine Stücke, die ich später wieder aufgegriffen habe. Ich habe viele geschrieben und dann wieder weggeworfen. Es war mein erstes Herantasten zu meiner größten Leidenschaft, der Musik.
Gab es für Sie jemals eine Alternative?
Nein, ich wusste schon mit 16 Jahren, dass ich Komponist werden wollte.
Was inspiriert Sie? Haben Sie bestimmte Methodiken, bevor Sie mit einer Komposition beginnen?
Inspiration finde ich in der Kommunikation und in der Zusammenarbeit mit anderen. Für mich ist das allerdings eher harte Arbeit. Ich glaube nicht so sehr an bestimmte Stimmungen, die zur Inspiration führen. Man muss sich hinsetzen und sich konzentrieren. Das ist die halbe Miete.
Wie wichtig ist Ihre Heimat Rom für Ihr psychisches Wohlbefinden?
Sehr wichtig. Die Stimmung der jeweiligen Stadt schwingt auch immer in meinen Musikstücken mit.
Waren die Soundtracks in früheren Jahrzehnten besser?
Nein. Ich glaube sogar, dass die Soundtracks von heute besser sind. Denken Sie doch nur daran, wie sehr die Technologie sich weiterentwickelt hat. Der Klang, die Produktion und auch die Art der Übertragung haben sich in den letzten Jahrzehnten extrem verbessert.
Aber früher schienen die Stücke einzigartiger, emotionaler. Sie schienen nicht so vom Fließband zu entstehen wie heute.
Der Klang der Stücke in den 60er, 70er und 80er Jahren war natürlich ganz anders, als das heutzutage der Fall ist. Musik reflektiert immer kulturelle Stimmungen. Gute Komponisten greifen das Flair einer Generation auf und wandeln es in Musik um. Die Zeiten haben sich geändert und somit auch die Musik. Aber man sollte hinsichtlich der Qualität keine Wertung vornehmen. Man kann nicht sagen, die Musik der 60er Jahre sei ausdrucksstärker als die heutige gewesen, sie war einfach anders. Man ist sich heute der Musik vielleicht mehr bewusst als früher.
Kennen Sie das Gefühl der Zufriedenheit? Oder sind Sie ein Perfektionist, der abgeschlossene Werke immer weiter verfeinern könnte?
Nein. Wenn ich mich dazu entschließe, eines meiner Werke der Öffentlichkeit zu übergeben, bin ich damit zufrieden. Dahinter steckt harte Arbeit. Wenn mich am Ende etwas stört, verwerfe ich meine Idee und fange ganz von vorne an.
Sie haben Soundtracks für über 500 Filme komponiert. Welcher ist Ihr
liebster?
Man stellt mir diese Frage öfters. Ich bin da immer sprachlos. Mir liegen alle meine Stücke sehr am Herzen, wirklich alle. Ich kann mich nicht für ein Stück entscheiden. Ich investiere in meine Arbeit extrem viel Zeit. Da fällt es mir schwer, etwas nach der Fertigstellung nicht zu mögen.
Das Interview fand im September 2007 beim Filmfestival in Venedig statt.