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An ihrer Seite

| Walter Gasperi |

Einfühlsames Drama und bewegender Liebesfilm über die langsame Verflüchtigung einer langjährigen Ehe durch den fortschreitenden Erinnerungsverlust der an Alzheimer erkrankten Frau.

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Zuerst verräumt Fiona die Bratpfanne im Kühlschrank, dann fällt ihr das Wort „Wein“ nicht mehr ein und schließlich findet sie von einem ihrer Langlaufausflüge den Weg nach Hause nicht mehr. Schleichend breitet sich die Alzheimer-Krankheit aus und die bislang als Schauspielerin erfolgreiche Sarah Polley findet in ihrem Regiedebüt in langsamen Überblendungen und Zeitdehnungseinstellungen eine eindringliche formale Entsprechung für diesen sukzessiven Verfall der Erinnerung. Harte Brüche gibt es hier nicht, die Erinnerung verschwimmt ganz einfach und löst sich schließlich im Nichts auf, sodass am Ende nur das Weiß des Schnees und des Abspanns zurückbleiben. Polley interessieren aber weniger die Auswirkungen der Krankheit auf die Betroffene selbst, als vielmehr die Folgen für die Umwelt, in diesem Fall für den Mann, mit dem Fiona seit über 40 Jahren verheiratet ist. Im Gegensatz zum deutschen Titel bringt der englische nicht nur die Perspektive der räumlichen Trennung durch die Einweisung in ein Pflegeheim, sondern auch die wachsende innere Distanz durch den Erinnerungsverlust zum Ausdruck. Denn bald wird Fiona ihren Ehemann Grant nicht mehr erkennen, wird sich aber voll Zärtlichkeit einem anderen Heiminsassen zuwenden. – Wie stark ist Grants Liebe wirklich, ist er in der Lage loszulassen und um Fionas Glück willen sogar dafür sorgen, dass sie mit diesem Fremden zusammen sein kann?

Leicht hätte Away from Her in Sentimentalität abgleiten können, doch Polley schürt nicht Emotionen, sondern inszeniert zurückhaltend und vertraut ganz auf das Spiel von Julie Christie und Gordon Pinsent. Wie dieses Duo am Beginn das blinde Verständnis und die Vertrautheit des trotz angedeuteter Affären des Mannes gemeinsam alt gewordenen Paares vermitteln, und wie Christie später in ihrer Erinnerungslosigkeit immer wieder lichte Momente durchschimmern lässt und Gordon Pinsent die Schuldgefühle, die ihn plagen, zum Ausdruck bringt, macht dieses zarte und warmherzige Drama bewegend.

Immer trifft Polley den richtigen Ton, hebt die Schwere des Themas durch Momente sanften Humors und der Melancholie auf. Eindringlich visualisiert die Regiedebütantin mit sorgfältig eingeschnittenen, grobkörnigen und farblich verfremdeten Jugendbildern, die so fragil und zerbrechlich wie die Erinnerungen sind, die Vergänglichkeit und findet in zwei Langlaufspuren, die parallel verlaufen, sich aber hin und wieder voneinander entfernen, eine prägnante Metapher für den gemeinsamen Lebensweg.