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Die Liebe in den Zeiten der Cholera

| Alexandra Zawia |

Die Adaption von Gabriel Garcia Márquez‘ Meisterwerk setzt dessen literarischer Kraft ein Denkmal – indem sie die Defizite der filmischen Interpretation deutlich aufzeigt.

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Ich wirke auf die Frauen leer, beliebig mit Fantasien befüllbar“, erklärt Florentino Ariza (Javier Bardem) an einer Stelle des Films seine Bilanz von 622 Frauen in 50 Jahren. Ziemlich leer wirkt auch diese Adaption von Gabriel Garcia Márquez’ Die Liebe in den Zeiten der Cholera, von Regisseur Mike Newell und Drehbuchautor Ron Harwood mit nichts befüllt außer miserabel besetzten Schauspielern und viel Telenovela-Kitsch. In Kolumbien um 1880 verliebt sich der junge Ariza in Fermina Daza (Giovanna Mezzogiorno). Als Fermina sich dem Willen ihres Vater fügt und den Arzt Juvenal Urbino (Benjamin Bratt) heiratet, erkennt sie ihre bis dahin erwiderte platonische Passion für Florentino als Illusion. Doch er schwört, auf sie zu warten (emotional, nicht physisch, wohlgemerkt). Nach 51 Jahren, neun Monaten und drei Tagen ist es soweit: Urbino stirbt, und Florentino ergreift seine Chance.

Abgesehen von der Fehlbesetzung eines (andernorts großartigen, aber hier) starräugig agierenden Javier Bardem, der neben einer unglaubwürdigen Fermina lediglich bemitleidens- aber nie mitleidenswert wirkt, schmerzt die Verfehlung von Márquez charakteristischem, melancholischem Humor. Ein Humor, der die Figuren in ihrem Drama ernst nimmt, aber gleichzeitig ermöglicht, mit ihnen darüber zu lachen. Und ein Humor, der hier nicht übersetzt werden konnte, schon gar nicht in ein Englisch mit gekünstelt spanischem Akzent. Der Roman rekonstruiert historische Details und soziale Gefüge in einer Generation der Jahrhundertwende und kreiert, im Stil des „Magischen Realismus“, eine Welt, die von ungesetzmäßigen Umwälzungen und emotionalen Kräften bestimmt ist.

In ihrer Adaption verfallen Newell (Four Weddings And A Funeral, Donnie Brasco) und Harwood (The Pianist) in Generalisierungen von Lateinamerika, verstärken das Melodrama. Dass Florentinos Liebe gleich der wütenden Seuche von ihm Besitz ergreift, verkommt zur Andeutung einer missverstandenen Lächerlichkeit.

Márquez transportiert seine Charaktere oft durch Zeit und Raum, nicht nur im stilistischen Mittel der Reise, sondern durch die sprachliche Vermittlung ihrer grenzenlosen Verlangen und Verirrungen. Newells Inszenierung beschränkt die Figuren, kleistert sie mit Alters-Make-up zu und erstickt sie in eingegrenzten Aufnahmen. Er misstraut dem Herzen der Geschichte – der irrationalen Liebe – so sehr, dass er sie vorsorglich in kitschiger Musik ertränkt. Dabei gewissermaßen 50 Jahre lang zuzusehen, macht wenig Freude.