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Crossing Europe – „Die Möglichkeiten sind äußerst begrenzt“

„Die Möglichkeiten sind äußerst begrenzt“

| Andreas Filipovic |

Der Programmdirektor des jungen kosovarischen Filmfestivals Dokufest spricht über die „umfassende kulturelle Apathie“ im Kosovo und die aktuellen Probleme von Filmschaffenden.

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Seit 2002 findet alljährlich in der nahe der albanischen Grenze gelegenen Kleinstadt Prizren das Festival Dokufest statt. Es entwickelte sich schnell aus bescheidenen Anfängen zu einem der bedeutendsten kulturellen Ereignisse des Kosovo. 2007 war Crossing Europe in Prizren mit einer Schau zeitgenössischer österreichischer Dokumentarfilme vertreten. Dieses Jahr erwidert Prizren den Besuch: Veton Nurkollari, Fotograf und Kunstkurator und Direktor des Dokufest, hat drei Dokumentarfilme aus seinem Programm von 2007 für das diesjährige Crossing Europe-Festival ausgewählt: Weddings and Diapers von Casey Cooper Johnson und Antoneta Kastrati Cooper Johnson, National Park von Dragan Nikolic und Welcome Europa von Bruno Ulmer.

Was war der Ausgangspunkt für die Gründung des Dokufest?
Es war eine Reaktion auf die umfassende Apathie im kulturellen Leben des Kosovo und ein Akt des Protestes gegen die drohende Schließung des letzten verbliebenen Kinos der Stadt. Wir wollten die Filmkultur durch Screenings nationaler und internationaler Produktionen fördern und an der Schaffung einer positiven Atmosphäre für Kooperationen zwischen Filmemachern aus dem Kosovo und dem Rest der Welt mitwirken.

Was waren die Probleme zu Beginn, welche existieren noch heute?
Zunächst fehlte es noch an Know-How und vor allem an finanziellen Mitteln. Noch immer haben wir große Probleme im Bereich der Infrastruktur. Das Festival ist sehr schnell zu einem regional bedeutenden Filmevent gewachsen. Allerdings haben wir immer noch mit Veranstaltungsorten zu kämpfen, denen es zum Beispiel an geeigneten Vorführapparaturen mangelt.

Wie könnten ausländische Institutionen oder Investoren da nachhaltig unterstützen?
Da gibt es eine ganze Menge Möglichkeiten, ich will aber nur die wichtigsten aufzählen: Ein verstärkter Austausch von Studierenden könnte die Qualität der Arbeit heben, da die Filmschulen im Kosovo unter miserablen Bedingungen arbeiten. Hier mangelt es vor allem an der technischen Grundausstattung. Durch Schenkungen von gebrauchtem Equipment für Schulen und Kinos, durch Workshops und Meisterklassen, die von arrivierten internationalen Filmfachleuten am Dokufest und darüber hinaus gehalten werden. Und besonders wünschenswert wäre schließlich der Einstieg ausländischer Filmproduzenten in aktuelle Filmprojekte, als Koproduktionen mit kosovarischen Partnern.

Welche Kooperationen konnte das Dokufest bisher bereits aufbauen?
In den letzten sieben Jahren ist es uns gelungen, ein breites Spektrum an Zusammenarbeit mit Festivals wie goEast in Wiesbaden, dem Jihlava Dokumentarfilmfestival in Tschechien oder mit HotDocs in Toronto aufzubauen. Besonders freut mich die exzellente Zusammenarbeit mit dem Crossing Europe Festival, die letztes wie dieses Jahr zur gegenseitigen Vorstellung von Filmen geführt hat.

Gibt es einen Austausch mit Kulturinstitutionen in Serbien, Albanien oder anderen Ländern der Region?
Es gibt eine große Bandbreite an Kooperationen in der Region und, abseits aller politischen Spannungen, auch in Serbien. Wir hatten bereits zweimal Gelegenheit, uns dort zu präsentieren, zuletzt vor einem Monat am YIHR Festival in Niš, wo wir ein Programm mit Filmen aus dem Kosovo und der Region gestalteten. Auch in Athen, Tirana, Zagreb und Sarajewo waren wir bereits vertreten.

Können Sie etwas über die Reaktionen des Publikums – vor allem in Serbien – erzählen?
Mit den Reaktionen waren wir vollauf zufrieden, das gilt auch für die Vorführungen in Serbien. In Niš hatten wir jeweils 150 bis 200 Zuseher, alles lief ohne Probleme ab. Da wir in den vergangenen Jahren auch immer wieder Filme aus Serbien in unseren Programmen hatten, gab es in der Vergangenheit auch immer wieder positive Medienberichte in Serbien, was ich für überaus wichtig halte.

Bei Crossing Europe ist das Dokufest mit drei Filmen vertreten. Wie kam es zu dieser Auswahl?
Die drei Filme waren unter meinen Favoriten beim letzten Dokufest, und als wir mit Christine Dollhofer über das Programm diskutierten, war ich sehr froh, dass diese Filme in Linz dabei sein können. Allen dreien gemeinsam ist meiner Meinung nach der Mut der Filmemacher in der Auseinandersetzung mit heiklen Themen. Die Aktualität der behandelten Stoffe und die filmische Qualität waren weitere Kriterien für unsere Auswahl.

Erzählen Sie doch noch ein wenig über die Bedingungen für Filmemacher im Kosovo heute.
Nun, die Möglichkeiten sind äußerst begrenzt. Der Kosovo investiert heute in einer Phase des Übergangs sehr wenig in die Kultur. Das größte Handikap stellt das Fehlen von klaren Richtlinien für Förderungen dar, vor allem von Seiten des Kulturministeriums. Die jüngste Schaffung eines Zentrums für Kinematografie stellt aber einen Hoffnungsschimmer für das gesamte Filmwesen des Kosovo dar.

Wie viele Filme werden im Kosovo produziert? Gibt es eine Konzentration auf bestimmte Inhalte oder Formate?
Seit dem Krieg wurden nur drei Spielfilme auf 35mm gedreht und einige weitere auf Video, um die fünf Stück. Die Zahl der Kurzfilme und Dokumentationen variiert von Jahr zu Jahr, wir kommen hier auf jährlich je 20 bis 25 Produktionen. Soziale Themen sind dabei vorherrschend, die Behandlung politischer Fragen gewinnt immer mehr Raum.

Was wünschen Sie persönlich für die Zukunft des Dokufests?
Ich würde mir wünschen, dass wir ein Level erreichen, durch das auch die Gesellschaft im Kosovo mehr vom Dokufest profitiert. Mit mehrjährigen Bildungsprojekten, Workshops zu verschiedenen Aspekten des Filmemachens und die Weiterentwicklung der industriellen Seite des Festivals wollen wir dort hinkommen.