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Nichts als Gespenster

| Bettina Schuler |

Ein paar Thirtysomethings suchen das Glück und langweilen sich zu Tode.

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„Alltagsleute und lauwarme Gefühle“: Nichts verabscheute Madame Bovary mehr. Auch wenn sie diese Sehnsucht am Ende ins Unglück stürzte, eins hatte die Heldin aus Gustave Flauberts Roman in jedem Fall: ein Leben voller Aufregung. Die Protagonisten in Martin Gypkens Nichts als Gespenster hingegen suhlen sich in ihrer Langeweile und Tristesse. Selbst der Sonne von Jamaika, der Gewaltigkeit des Grand Canyons oder den Brücken von Venedig können sie nicht mehr als ein müdes Lächeln abgewinnen, weil sie von Eindrücken übersättigt sind. So wie Ellen (Maria Simon) und Felix (August Diehl), die mit dem Auto halb Amerika durchqueren und sich mit Vorwürfen und Nörgeleien bombardieren, anstatt sich an der Landschaft und der gemeinsamen Zeit zu erfreuen. Auch Nora (Jessica Schwarz) und Chris-tine (Brigitte Hobmaier) haben nichts zu bereden, obwohl sie gemeinsam nach Jamaika gereist sind. Ihre Freundschaft ist nicht mehr als ein Zweckbündnis zweier einsamer Herzen, das sich in dem Augenblick überlebt hat, als Nora ihre Gefühle für den Ex-Freund Jonas wieder entdeckt.

Dies sind nur zwei von fünf Geschichten, die Martin Gypkens in seinem neuen Film erzählt und die er den beiden Erzählbänden Sommerhaus, später und Nichts als Gespenster von Judith Hermann entnommen hat, in denen die Autorin mit einer unglaublichen Genauigkeit und Nonchalance die dekadente Haltung der Thirtysomething-Generation einfängt. Gypkens, dem es in seinem Spielfilmdebüt Wir (2003) so überaus gut gelungen war, ein Generationenporträt der Mittzwanziger zu skizzieren, glückt es in Nichts als Gespenster jedoch nur selten, diese Blasiertheit zu visualisieren.

Vielmehr wirkt das Nicht-Geschehen, diese überhebliche Form der Langeweile, welche die Figuren an den fernsten Orten der Welt zelebrieren, häufig nur manieriert und nicht als Ausdruck innerer Sprachlosigkeit. Selten gelingt es dem Regisseur, die Sehnsucht nach Geborgenheit und Liebe, die hinter der aufgesetzten Arroganz seiner Helden steckt, einzufangen und das krampfhafte Aneinanderfesthalten der Protagonisten als Angst vor dem Alleinsein zu interpretieren. So wie in der Geschichte der tüchtigen Marion (Fritzi Haberlandt), die ihre Eltern während eines Italientrips in Venedig aufsucht und krampfhaft versucht, eine Nähe zwischen sich und ihren Eltern herzustellen, die es nicht gibt, die jedoch der einziger Anker in ihrem ansonsten recht einsamen Leben ist. Von dieser hilflosen Suche nach einem Stück vom Glück hätte man gerne mehr gesehen.