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Dossier – Ein Gespräch mit Lalu Roisamri

„Wir sind auf der Suche nach neuen Talenten“

| Andreas Ungerböck |

Lalu Roisamri ist seit 2007 künstlerischer Leiter des Internationalen Filmfestivals von Jakarta. Im Interview spricht er über Chancen und Versäumnisse des indonesischen Films, über Arthouse und Mainstream und über die Kluft zwischen der Metropole Jakarta und dem Rest des Landes.

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Wie würden Sie generell die derzeitige Situation des indonesischen Kinos beschreiben?
Ich glaube, es gibt ein wachsendes Interesse, geradezu ein Verlangen der Zuschauer nach indonesischen Filmen nachdem sie fast 20 Jahre lang nur amerikanische Filme oder indonesische B-Movies anschauen konnten. Außerdem gibt es eine neue Generation von Zuschauern, der Großteil des Publikums ist zwischen 20 und 30 Jahre alt. Die meisten, die älter sind, haben bereits Familie und ziehen es vor, zu Hause gemeinsam DVDs anzusehen.

Würden Sie sagen, dass es in den letzten Jahren eine positive Entwicklung gegeben hat und wenn ja, inwiefern?
Die Entwicklung ist insofern positiv, als es nun wieder Interesse gibt, in Filme zu investieren. Das ist schon positiv. Die alte Garde aus der Goldenen Ära der Achtziger Jahre ist in die Filmindustrie zurückgekehrt. Diese Produzenten gingen zum Fernsehen, als die Filmindustrie unterging. Aber was Qualität betrifft, könnte die Situation besser sein.

Weshalb ist das indonesische Kino, mit wenigen Ausnahmen, im Vergleich zu Filmen aus Korea, Japan, Thailand etc. im Weltkino kaum vertreten? Und wie beurteilen Sie das Marktpotenzial von Arthouse-Filmen, wie etwa jenen von Garin Nugroho?
Vielleicht deshalb, weil wir nach wie vor mit unseren Nachbarländern in Sachen erzählerischer Qualität nicht mithalten können. Oder weil sich die Produzenten auf den einheimischen Markt konzentrieren. Indonesien hat 200 Millionen Einwohner. Dennoch kann der größte Kassenschlager nur fünf Millionen Zuschauer erreichen. Bei einem Budget von 100.000 US-Dollar sind schon bei nur 500.000 Zuschauern die Kosten gedeckt. Arthouse-Regisseure wie Garin Nugroho, Nan Achnas oder Riri Riza können nach wie vor kaum Publikum auf dem heimischen Markt gewinnen. Leider finden Filme mit persönlichen Visionen – und das ist für mich der Unterschied zwischen Arthouse und Mainstream – nach wie vor kein Echo in Indonesien. Doch das Auftreten der neuen Blitz-Megaplex-Kette, die 30 Leinwände im ganzen Land hat, ist ein Hoffnungsschimmer für Independent-Filme, obwohl auch Blitz vor allem Kommerzfilme zeigt. Diese Kinos sind zwar nicht so groß wie die der 21 Cineplex Gruppe, die 200 bis 300 Leinwände hat, aber durch das Konzept von Rundum-Entertainment an einem Ort (Kino, Cafe, Internet, Spiele, Musikdownload-Center) scheinen sie jugendliche Zuschauer anzuziehen. Es heißt, sie haben eine Auslastung von durchschnittlich 25% an Wochentagen und 80% an Wochenenden.

Wie viele Mainstream-Filme wurden in den letzten Jahren produziert, und wie hoch ist das durchschnittliche Budget für einen Mainstream-Film?
Im Jahr 2006 hatten wir etwa fünfzig indonesische Filme, 2007 waren es etwa siebzig. 2008 könnten es bis zu hundert werden. Das Budget bewegt sich in einem Rahmen von 100.000 und 700.000 Dollar, durchschnittlich sind es etwa 400.000 bis 500.000.

Wie hat der Einsatz der Digitaltechnologie die Filmproduktion in Indonesien verändert?
Da die wichtigste Kinogruppe nach wie vor keine Digitalprojektoren hat, werden die meisten Filme auf 35mm gedreht bzw. digital oder auf 16mm und dann auf 35mm aufgeblasen.

Gibt es hinsichtlich Filmkultur und Filmrezeption eine tiefe Kluft zwischen Jakarta und den weniger entwickelten Gebieten des Landes?
Ja, auf jeden Fall. Denn die finanziellen Mittel und Kinos befinden sich nach wie vor zu 70% in Jakarta.

Soweit ich das beurteilen kann, beschäftigen sich die meisten indonesischen Filme mit dem städtischen Leben in Jakarta. Soziales Bewusstsein für das Leben armer Menschen oder der Landbevölkerung scheint kein Thema zu sein. Sehen Sie das auch so?
Ja, da stimme ich Ihnen zu. Das kommt daher, dass die meisten Regisseure in Jakarta leben, selbst wenn sie aus anderen Teilen des Landes kommen. Und außerdem befindet sich der Großteil der Filmschulen in Jakarta und Java. Auch die älteren Produzenten machen bloß seichte Unterhaltung für ein städtisches Publikum. Während die großen Produzenten sechs bis sieben Filme im Jahr machen, können idealistische Produzenten, die vielleicht ein soziales Anliegen haben, nur ein bis zwei Filme pro Jahr drehen.

 

Wie sieht es mit den Kinos aus? Gibt es noch „reguläre“ Kinos in den Dörfern und kleineren Städten oder hat der Video- und DVD-Verleih diese begraben? Inwiefern beeinflussen Hollywood-Filme die Zuschauerzahlen und Marktanteile?
Für die meisten Städte bedeutet der DVD-Verleih den Tod der Kinos. Aber ich habe gehört, dass es Pläne gibt, die aufgelassenen Kinos zu neuem Leben zu erwecken, denn das indonesische Kino hat nunmehr 55% Marktanteil und wächst stetig. Ich glaube, die Anzahl der importierten Hollywood-Produktionen lag im Vorjahr bei etwa 70 Filmen.

Welche Rolle spielt das Jakarta International Film Festival – sowohl national als auch international gesehen? Würden Sie es als Fenster zur Welt für heimische Zuschauer bezeichnen oder präsentiert es der Welt das indonesische Kino?
Das Ziel des Festivals ist es, beides zu tun, und wir wollen uns nun auch dem südostasiatischen Raum öffnen. Wir haben durchschnittlich 50 internationale Gäste pro Jahr, hoffen aber, in Zukunft noch mehr Gäste anzuziehen, die Interesse an indonesischem und südostasiatischem Kino haben.

Gibt es noch andere (nationale oder internationale) Festivals in Indonesien?
Ja, es gibt das nationale Filmfestival, das von der Regierung organisiert wird, das NETPAC Asian Festival in Jogjakarta und ein internationales Queer Filmfestival.

Welche Zukunft sehen Sie für das indonesische Kino? Welchen Weg schlägt es ein?
Ich fürchte, wenn sich die Qualität des indonesischen Kinos nicht bessert, dann kommen die Zuschauer nicht ins Kino zurück. Deshalb organisiert das Festival ja auch Drehbuch-Workshops und ko-produziert Filme. Wir sind stets auf der Suche nach neuen Talenten und arbeiten dabei mit internationalen Festivals und Schulen zusammen, um diese Talente zu fördern.