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Auf Anfang

| Walter Gasperi |

Generationen-Porträt und Coming-of-Age-Geschichte um zwei junge Norweger mit schriftstellerischen Ambitionen.

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Zwei befreundete junge Norweger, Erik und Phillip, werfen ihre Manuskripte für einen Roman gleichzeitig in einen Briefkasten. In weniger als drei Minuten fasst ein auktorialer Erzähler, von schwarzweißen Standbildern und Filmschnipseln unterstützt, voll Ironie die folgenden Ereignisse zusammen: Aufstieg zu Kultstatus, Auslandsreisen und gemeinsamer literarischer Neustart mit einem Buch, das in Ostafrika eine Revolution auslöst, vom Vatikan verboten wird und den Dalai Lama desillusioniert. Doch halt! – Weil das letztlich nur eine Möglichkeit ist, welchen Lauf Geschichte und Leben nehmen könnten, beginnt Auf Anfang nach dieser rasanten Eröffnung, mit der man locker einen ganzen Film füllen könnte, nochmals von vorn mit dem Einwurf der Manuskripte.

Man kennt dieses Kino der Möglichkeiten, die Präsentation von unterschiedlichen Handlungs- und Lebensverläufen von Tom Tykwers Lola Rennt, der freilich wieder von Krzysztof Kieslowskis Der Zufall möglicherweise inspiriert ist. Selbstverliebte Spielerei ist das auch bei Joachim Trier nicht. Die Offenheit, mit der er sein Debüt beginnt und zu der er am Ende, eine Klammer bildend, zurückkehrt, korrespondiert mit dem Thema. Von seinen beiden Protagonisten ausgehend, zeichnet der norwegische Regisseur das Bild einer jungen großstädtischen Generation, die (noch) nicht so recht weiß, wohin es im Leben gehen soll und tastend nach neuen Möglichkeiten sucht: Man hängt mit Freunden herum, hört Punk-Musik und diskutiert über Philosophie und Literatur. Martin Heidegger ist für sie ebenso ein Idol wie Marguerite Duras oder der fiktive norwegische Schriftsteller Sten Egil Dahl. Parallelversionen der Geschichte präsentiert Trier zwar nur am Beginn, und dennoch ziehen sich Neuanfänge durch den ganzen Film: Phillips Neuorientierung nach einem Psychiatrie-Aufenthalt sowie sein Versuch, eine alte Liebesbeziehung neu zu beleben, gibt es da ebenso wie Erfolg, Niederlage und Neustart bei Eriks schriftstellerischen Versuchen.

Die Leichtigkeit, aber auch die Unsicherheit dieser Jugend, ihre Lebenslust, aber auch ihre Melancholie überträgt Trier kongenial in die Form. Mehrere Zwischentitel markieren die Neuansätze nicht nur im Film, sondern auch im Leben, und die Offenheit wird vermittelt durch locker eingestreute Erinnerungsfetzen und kurze Rückblenden, in denen wiederum der auktoriale Erzähler sehr gerafft ironisch auf Episoden aus dem Leben der Mitglieder der Clique oder auf ein Kindheitstrauma Eriks zurückblickt.