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Dossier – „Einen Umbau tue ich mir nicht mehr an“

| Andreas Ungerböck :: Jörg Schiffauer |

Franz Schwartz, 27 Jahre lang Leiter des renommierten Wiener Stadtkinos, geht mit Ende des Jahres in Pension. Ein Gespräch über Filme, Förderungen, Fehden und darüber, warum Wirtschaftlichkeit im Kino nicht alles ist.

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Franz Schwartz hört auf: eine Nachricht, die innerhalb der Film- und Kinoszene vor einigen Wochen gehörigen Staub aufwirbelte. 27 Jahre lang, seit Ende November 1981, hatte Schwartz das Stadtkino geleitet. Wer Anfang der Achtziger Jahre in Wien „filmisch sozialisiert“ wurde, wie das so schön heißt, der kam um das Stadtkino nicht herum. Viele legendäre Veranstaltungen wurden dort abgehalten, es gab Mitternachts- und Mittagskino, ein Kinotag hatte (zum Drei-Jahres-Jubiläum) 33 Stunden – von Freitag Nacht bis Sonntag Vormittag. Schwartz schaffte es, mit Unterstützung des damaligen Kulturstadtrates Helmut Zilk, eine Institution aus dem Boden zu stampfen, der die Wiener Kinolandschaft einige ihrer Sternstunden verdankt.

Begonnen hat alles 1969, als Schwartz bei der längst verblichenen Zentralsparkasse (heute: Bank Austria) zu arbeiten anfing, zunächst in einer Zweigstelle, später, über Vermittlung eines Bekannten in der Werbeabteilung. Der dortige Texter und der Grafiker unterstützten ihn bei der Produktion der Betriebszeitung. Schwartz, heute ein gepflegter Herr vom Typus Jeans und Krawatte, war bald als Maoist verschrien und wurde in die Kreditabteilung versetzt. Als jedoch der Generaldirektor eines Tages beschloss, er müsse der Sparkasse ein progressiveres Image verpassen, bekam Schwartz seine große Chance: Man übertrug ihm, gemeinsam mit Reinhard Stremnitzer, die Leitung des Z-Clubs in der Wiener Kirchengasse. Dort gab es Lesungen, Musik, Kabarett und schließlich immer mehr Filme. 1981, als der Z-Club ohnehin  übersiedeln wollte, weil die Räumlichkeiten schon ein bisschen desolat waren, kam es zur folgenschweren Begegnung mit Helmut Zilk. In den 27 Jahren als Stadtkino-Chef zeigte sich Schwartz als charismatischer, streitbarer Verfechter von Geradlinigkeit und Vernunft, was denjenigen, die mit ihm zu tun hatten, gewiss nicht immer angenehm war. Die ortsübliche Mauschelei und Klüngelei waren und sind seine Sache nicht. In vielem von dem, was ihm während seiner beruflichen Laufbahn wichtig war, war er dennoch oder gerade deswegen höchst erfolgreich. Sein Blick zurück auf 27 Jahre Stadtkino und österreichische Filmszene fällt nüchtern, mit einem leisen Anflug von Wehmut aus.

Wie kam es zur Gründung des Stadtkinos?
Es gab den Willen von Helmut Zilk, der gerade Kulturstadtrat geworden war, ein kommunales Kino zu gründen. Er hatte damals noch keine Gesprächspartner in der Stadt. Ich ging einmal mit ihm über den Schwarzenbergplatz und meinte, ich hätte gerne eine Haltestelle des 71ers vor dem Kino. Er sagte, den Wunsch könne er mir nicht erfüllen, weil er mit keinem anderen Stadtrat reden könne. Aber er besorgte von der Wiener Stadthalle-KIBA, die damals den Wiener Kinomarkt dominierte, das Kino, die Kammerlichtspiele am Schwarzenbergplatz. Die machten pro Jahr etwa 70.000 Euro Verlust. Und auch das Geld für den Betrieb holte er sich von der Wiener Stadthalle, die ja eine indexgebunde, aufhebbare jährliche Subvention erhält. Zu der Zeit schrieb sie mit den Kinobetrieben wahnsinnige Gewinne. Zilk sagte: „Davon gebt ihr mir das Geld.“ Und diese Konstruktion hat gehalten bis heute, bis Ende 2008.

 

Im November 1981 wurde das Stadtkino dann eröffnet – mit dem Film Zechmeister von Angela Summer-eder und einem programmatischen Text von Ihnen. Wie kamen Sie auf diesen Film, und wie entstand der Text?
Ich hatte den Film bei den Österreichischen Filmtagen in Kapfenberg gesehen, und er hatte mir sehr gut gefallen. Er kam meinen Vorstellungen von Kino sehr nahe. Woher genau ich die Inspiration für den Text hatte, den ich erst kürzlich wieder gelesen habe, weiß ich nicht mehr. Ich muss übrigens dazu sagen, dass ich vom Kino damals nicht viel Ahnung hatte. Ich hatte immer gute Einflüsterer, das muss an dieser Stelle einmal gesagt werden, weil ich in letzter Zeit immer wieder höre, dass sich Menschen daran erinnern, sie hätten im Stadtkino Film „gelernt“. Ich meinerseits habe von Leuten wie Hans Hurch oder Alexander Horwath, die damals ja noch Filmkritiker waren, sehr viel profitiert.

Die Ausrichtung des Stadtkinos hatte doch auch sehr wesentlich mit der Kinosituation in Wien zu tun.
Richtig. Meine Idee war ganz klar: Zwischen dem von mir sehr geschätzten Österreichischen Filmmuseum und dem Überangebot an kommerziellen Filmen sollte es noch etwas geben. Man muss sich ja vor Augen führen, es gab damals so gut wie keine Programmkinos, also ging es dem anspruchsvollen Film herzlich schlecht. Gut, es gab das Action-Kino, das übrigens aus Protest gegen die Gründung des Stadtkinos zusperrte, aber das war es dann schon: Es gab kein Schikaneder, kein Top, kein Filmcasino und kein Votivkino. Da war Brachland. Und ich dachte, man könnte doch ein anspruchsvolles Programm machen, aber mit aktuellen Filmen und mit einem breiteren Zugang. Also: die Filme lange spielen, nicht nur einmal, sodass jeder Gelegenheit hat, sie zu sehen. Keine Clubmitgliedschaft und nicht diesen totalen Purismus, also etwa japanische Filme ohne Untertitel, nur mit gedruckter Inhaltsangabe. Das war der Grund, warum wir alle Filme deutsch untertitelt haben, damit jeder sie sehen konnte. Und zu jedem Film ein gedrucktes Programm herausgaben, um sich die damals so gern geübte Peinlichkeit der „Gespräche nach dem Film“ zu ersparen, diese stundenlangen Diskussionen. Daher wollte ich meine Sicht oder die Sicht dessen, dem ich anhing, also des Regisseurs zum Beispiel, in den Programmen vermitteln.

Sie haben sofort auch den Stadtkino Filmverleih gegründet. Warum war das notwendig?
Ganz einfach: Weil wir die Filme, die mir vorschwebten, sonst nicht hätten zeigen können. Und wenn ich sie bekommen hätte, dann nur zusammen mit fünf anderen Filmen im Paket, die ich sicher nicht haben wollte. Also mussten wir uns vom normalen Verleihbetrieb fernhalten. Bestenfalls hätten wir vielleicht anspruchsvollere Filme der anderen Verleiher bekommen – die allerdings nur deutsch synchronisiert, niemals in der Originalfassung, und schon gar nicht mit Untertiteln. Für mich war bald klar: Wir müssen unsere eigene Hoheit schaffen. Das war allerdings immer ein Kampf mit dem Kontrollamt, weil ja die Wiener Stadthalle-KIBA auch eine Vergangenheit als Filmverleih hatte. Die hatten ja auch einen Verleih, der auch in Deutschland aktiv war und der viele Millionen Schilling in den Sand gesetzt hatte. Deshalb hatten wir jedes Jahre eine begleitende Prüfung durch das Kontrollamt. Und immer kam die Frage: Warum ist denn der Verleih notwendig? Das war dem Kontrollamt lange Zeit nicht klarzumachen.

Da stellt sich natürlich die Frage nach der Programmlinie. Nach welchen Kriterien haben Sie denn die Filme für den Verleih ausgewählt? Sie haben kürzlich in einer Radiosendung Burn After Reading von den Coen Brothers ziemlich zerzaust. Hätten Sie den – trotz des erwartbaren Erfolges – abgelehnt?
Zu 80 Prozent waren das Entscheidungen aus dem Bauch heraus – Filme, zu denen ich stand und noch heute stehe. Der Rest waren Filme, die mir empfohlen wurden und die ich ins Programm nahm, auch wenn ich selbst vielleicht nicht völlig überzeugt war von ihnen. Wichtig war schon, dass es um das Anfüllen einer Lücke ging, nicht nur um meinen persönlichen Geschmack. Aber natürlich sollten auch die Filme, die quasi zur Befüllung dienten, meinem Verständnis von Kino entsprechen. Diese Lücke bestand eben zwischen dem rein nach Ökonomie trachtenden Kino  und dem großartig arbeitenden Filmmuseum, das aber einem Purismus verschrieben war, der für den Normalsterblichen nicht nachvollziehbar war. Dazwischen musste und muss es noch etwas anderes geben. Und ja, Burn After Reading, den halte ich wirklich für Schmiere – The Big Lebowski hingegen habe ich mit großem Vergnügen im Stadtkino gespielt.

Warum hat gehobenes Genrekino im Stadtkino-Programm eigentlich keinen Platz gefunden?
Diese Art von Film ist ja im aktuellen Kinobetrieb ohnehin recht gut aufgehoben. In Retrospektiven haben wir das schon gezeigt, aber mein Fall war das nie. Aber vielleicht denkt mein Nachfolger Claus Philipp da ja anders.

Man hat Ihnen angekreidet, dass Sie als „Arthouse“-Verleiher Niki Lists Müllers Büro ins Programm nahmen, der sich schließlich als wahrer Kassenschlager erwies.
Das habe ich nie verstanden, und es war mir auch egal. Zudem gab es eine Vorgeschichte: Wir hatten mit Niki Lists Erstling Malaria [1982, Anm.] einen großen Erfolg gehabt. Wir tourten mit dem Film sogar durch Österreich, weil er auf 16mm war und nur wenige Kinos einen 16mm-Projektor hatten. Den haben wir mitgebracht und installiert! Also war ich Niki List durchaus verbunden, und zum anderen: Warum sollte ich nicht einen Film verleihen, der mir ein ganzes Jahresbudget finanzierte? Im übrigen lief er nie im Stadtkino, dort hätte er auch nicht hingepasst. Sehr wohl aber in vielen anderen Kinos, wo er ein großer Erfolg wurde. Was sollte daran, bitte, schlecht sein?

Das Stadtkino war berühmt für seine gut besuchten Spezialprogramme – etwa „Um Mitternacht“ an Freitagen und Samstagen und „12 Uhr Mittag“ an Sonntagen. Nach etwa fünf Jahren haben Sie damit aufgehört. Warum?
Weil sich das selbst erledigt hat, im positiven Sinne. Einen Film wie Godards Le Mépris konnten wir anfangs nur um Mitternacht spielen, sozusagen als Besonderheit. Später war es erfreulicherweise so, dass solche Filme durchaus im Normalprogramm laufen konnten und sehr gut besucht waren. Le Mépris lief wochenlang. Wobei ich ergänzen muss, dass es meine Politik war, Filme nicht länger als drei Wochen im Stadtkino zu zeigen, auch wenn sie sehr erfolgreich waren. Down by Law von Jim Jarmusch etwa hätten wir viel länger spielen können, aber der lief dann im Residenz-Kino weiter.

Nun haben Sie als Verleiher einige Regisseure mit „aufgebaut“, internationale ebenso wie österreichische. So haben Sie als Erster Ulrich Seidl gezeigt und auch Michael Hanekes Der siebente Kontinent. Schmerzt es, wenn man solche „Hausregisseure“ an die Konkurrenz verliert?
Warum das so ist, das ist nicht so einfach zu erklären. Haneke hasst mich mittlerweile, weil ich immer dafür votiert habe, das Filminstitut anders zu besetzen als mit Gerhard Schedl. Haneke war dagegen, er wird schon wissen, warum. Aber es gibt viele österreichische Filme, die ich gerne gezeigt hätte und nicht bekommen habe. Zum Teil liegt das an den Produktionsfirmen. Es gibt so ein Konglomerat aus Produzenten und dem Filmladen, da passt kein Löschblatt dazwischen, da brauche ich gar nicht aufzuzeigen. Revanche von Götz Spielmann hätte ich liebend gerne gezeigt, aber wenn ein Regisseur seinen Film einem Verleih gibt, mit dem er dem Vernehmen nach bei seinen letzten Kinostarts nicht unbedingt glücklich war, was soll ich da noch sagen? Dass ich Seidls Filme nicht mag, ist bekannt, das hat sich mir wieder bestätigt, als ich bei der Stadtkino-Viennale-Retrospektive Good News wieder gesehen habe. Trotzdem hätte ich gerne Import/Export gehabt, weil ich den für eine positive Entwicklung in seinem Werk halte. Als ich Good News wieder sah, dachte ich, ich hätte im Rahmen dieser Hommage lieber Operation Spring zeigen sollen, einen klugen, bescheidenen, sehr genauen Film.

Diese Grabenkämpfe muss aber nicht nur ich führen. Man kennt das ja mit Haneke auch bei Hans Hurch, dem er keinen Film mehr geben will, usw. Mich da aus der Schusslinie zu nehmen, ist Teil meines Entschlusses, jetzt aufzuhören. Soll jemand kommen, der mit denen allen kann und sich da mit Enthusiasmus hineinstürzt.

Und natürlich schmerzt es, wenn jetzt die Dardenne-Brüder nicht mehr bei mir sind. Aber das ist eine Geldfrage. Wenn jemand 300.000 Euro hat, nur um Filmgarantien zu zahlen und das Geld auch ausgeben muss, dann hat er es leichter als ich, der ich nur 12.000 Euro zur Verfügung habe. Bei Jim Jarmuschs Broken Flowers war einfach die Verwertungskette von Seiten der Produktion schon vorgegeben, da hätte ich mich gar nicht einschalten können. Ich bin sicher, Jarmusch hätte mir den Film gegeben, hätte er da noch etwas mitzureden gehabt. Aber immerhin: Aki Kaurismäki ist mir geblieben, seit Anfang an.

Dass Ihr Verhältnis zum Kino-Marktführer Constantin beziehungsweise Cineplexx gestört ist, ist bekannt. Was genau erregt Ihren Missmut?
Am meisten stört mich, dass die Constantin-Gruppe, denn tatsächlich handelt sich um ein Konglomerat aus Kino und Verleih und diversen anderen Aktivitäten, aus EU-Fördertöpfen rund 760.000 Euro bezieht, für die europäischen Filme, die sie mehr schlecht als recht auswertet. Das verzerrt den grotesken Wettbewerb in Österreich noch mehr. Aber wer die Kinosäle hat, hat die Macht. Dazu kommt: Es verdirbt die Preise. Denn natürlich kann so jemand – via EU-Förderung – höhere Preise für Filme zahlen, die ursprünglich gar nicht so viel gekostet hätten. Die Produzenten sagen sich natürlich: „Die sollen ruhig mehr zahlen, die sind sowieso gefördert.“ Damit ist die Constantin-Gruppe aber durchaus nicht allein in Österreich. Es gibt noch andere Verleiher, die das so machen.

Man vermisst seit einigen Jahren Ihre sehr pointierten Statements zur österreichischen Filmpolitik. Warum melden Sie sich dazu nicht mehr zu Wort?
Ganz einfach: Ich bin in keinen Gremien mehr vertreten, also habe ich auch keinen Einblick. Man fragt mich auch nicht mehr, ob ich irgendwo drinnen sitzen will; das wird schon seine Gründe haben. Ich rede nur über Dinge, die ich kenne. Das war etwa so, als ich noch im Vorstand des Österreichischen Filminstituts saß. Da habe ich Dinge gesehen, von denen ich fand, dass sie die Öffentlichkeit interessieren sollten. Als ich den damaligen Minister Scholten davon informiert habe, hieß es: „Wenn das publik wird, können wir gleich eine Bombe dort hineinschmeißen.“ Das war’s dann.

Für wie sinnvoll halten Sie es, Kinos, die zwar einen kulturellen Auftrag erfüllen, aber nicht unbedingt wirtschaftlich agieren, mit Steuermitteln zu fördern?
Ich habe es aufgegeben, der Stadt Wien etwas zu sagen. Niemanden kümmert es mehr, wer welchen Film warum spielt. Warum die Machtverhältnisse so sind, wie sie sind. Ich habe zum Beispiel mit einem Konzept versucht, das Tabor-Kino zu retten – vergeblich. Stattdessen beginnt man wieder einmal, die Programmkinos auf ihre Wirtschaftlichkeit hin „abzuklopfen“. Das ist eine Rechnung, die nicht aufgeht. Nur ein Beispiel: Man beklagt die hohen Kosten des Gartenbaukinos. Aber keiner sagt, dass 60 Prozent dieser Kosten auf die horrende Miete entfallen. Und an wen zahlt das Gartenbau diese Miete? An die Gartenbau-Gesellschaft. Und wem steht die Gartenbau-Gesellschaft nahe? Der Stadt Wien. Absurd. Man muss einsehen, dass es Betriebe gibt, die nicht wirtschaftlich agieren können, aber natürlich erhaltenswert sind. Wir leben nicht mehr in der Zeit, als das Gartenbau der allmächtigen KIBA gehörte und der gestrenge Herr Fischer die vier großen amerikanischen Verleiher [Warner, Columbia, 20th Century Fox, UIP, Anm.] bis Donnerstag zappeln lassen konnte, welchen ihrer Filme er am Freitag im Gartenbau spielen würde.

Was halten Sie denn von den Recherchen des ÖVP-Gemeinderates Dworak, der unter anderem das Gartenbaukino unter Beschuss nimmt?
Ich würde Herrn Dworak empfehlen, nicht zu Lasten von Gartenbaukino und Stadtkino am Kulturstadtrat sein Mütchen zu kühlen, indem er aus einem durchaus seriösen, positiven, vor allem aber konstruktiven Kontrollamtsbericht Daten entnimmt und aus dem Zusammenhang gerissen an die Zeitungen weitergibt. Er sollte sich lieber der Praktiken des Constantin-Filmverleihs annehmen, der von der EU jährlich bis zu 760.000 Euro bekommt, dann aber entweder die Kinos nur beschränkt beliefert, oder – neuerdings – Kosten, die ohnehin von der EU getragen werden, den belieferten Kinos in Rechnung stellen will. Da geht es um Steuermittel, und zwar ohne qualitätsvolle Inhalte.

Ihr eigenes Stadtkino zählen Sie, das ist kein Geheimnis, nicht zu den erhaltenswerten. Wie soll die Zukunft des Kinos aussehen, nachdem ja der Streit um das neue Filmzentrum im Augarten zugunsten der Wiener Sängerknaben entschieden wurde?
Das muss sich Claus Philipp überlegen. Der Standort ist schlecht, auch wenn Claus das anders sieht. Das liegt daran, dass er immer von hinten, also vom 3. Bezirk, ins Stadtkino gekommen ist, ich von vorne, über den Schwarzenbergplatz. Der Anfahrts- oder auch der Fußweg sind zu beschwerlich. Ein Umbau wäre dringend nötig, ist aber unbezahlbar, auch deswegen, weil die Behörden, kaum dass man beginnt, immer wieder etwas finden, was noch ausgetauscht werden muss. Wir müssen jedes Jahr bei starkem Regen zwei bis drei Tage schließen, weil das Kino unter Wasser steht. Das hängt mit dem Grundwasser zusammen, und das Kino ist nun einmal im zweiten Kellergeschoß. Meiner Meinung nach muss „Stadtkino“ nicht im Stadtkino, sondern könnte etwa im Künstlerhaus passieren. Dort hat man ein schönes Kino und alle Möglichkeiten, aber keine Programmideen. Genauso wie Stadtkino seit einiger Zeit auch im Gartenbau stattfindet – Paranoid Park hätte im Stadtkino kaum funktioniert, im Gartenbau aber sehr wohl.

Aus all dem klingt auch ein bisschen Resignation heraus. Ist dieser Eindruck richtig?
Ja, in einem gewissen Maße sicher. Sagen wir so: Einen Umbau will ich mir auf keinen Fall mehr antun.

Aber es hat in dieser langen Zeit doch sicher auch viele Highlights gegeben. Können Sie uns ein paar nennen?
Natürlich. Ich denke an die sehr bewegende Premiere von Operation Spring. Oder an unsere Cassavetes-Retrospektive, als wir es geschafft haben, alle Kopien binnen zweieinhalb Monaten zu untertiteln. Cassavetes’ Produzent war hier, und auch Seymour Cassel. Oder die Preston-Sturges-Retro, mit Sandy Sturges, der Witwe des Regisseurs. Oder als ich unsere Kopie von Jacques Demys Chambre en ville zu Aki Kaurismäkis Midnight Sun Film Festival in Sodankylä bringen durfte. Demy war da, Juliet Berto, Kaurismäki natürlich, das war sehr schön. Und es freut mich, dass das Stadtkino als Pionier der Programmkino-Szene fungiert hat: Votiv, Filmcasino, Schikaneder, Top: Die hätte es ohne das Stadtkino nicht gegeben.