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Lulu und Jimi

| Günter Pscheider |

Stilisierte Love Story um die unmögliche Beziehung zwischen einer Tochter aus gutem Hause und einem Schwarzen in den 1950er Jahren.

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Deutschland 1959: Die miefige Spießergesellschaft zelebriert die Erfolge des Wirtschaftswunders. Die attraktive Lulu soll aus finanziellen- und Statusgründen einen stinklangweiligen Fabriks-
erben heiraten. Als sie sich auf den ersten Blick in den attraktiven Rummelplatzangestellten Jimi verliebt, rebelliert sie gegen ihre berechnende Alkoholikermutter. Ihr Vater wankt medikamentös ruhig gestellt nur wie ein Zombie durchs Haus, während ihr Bruder selbst in Lulu verliebt ist. Bei einem Fest von Provinzschnöseln sorgt die Anwesenheit vom „Neger“ Jimi für einen Eklat. Lulus Bruder attackiert Jimi mit einem Messer, wird aber von diesem so übel zugerichtet, dass er an den Rollstuhl gefesselt bleibt. Als Jimi aus dem Gefängnis kommt, brennen die beiden durch, doch der Geliebte von Lulus Mutter, ein skrupelloser Arzt, der schon Lulus Vater auf dem Gewissen hat, und ein wahnsinniger Killer sind ihnen dicht auf den Fersen.

Oskar Roehler versucht sich an einem knallbunten Pop-Melodram mit Thrillerelementen. Da wirbeln die Petticoat-Röckchen, riesige Herzen werden in den Himmel gemalt, sogar der Pudel der abgrundtief bösen Mutter ist rosa gefärbt. Die Geschichte ist über weite Strecken inszeniert wie ein naives Märchen, erst gegen Ende kommt comichafte Gewalt ins Spiel, die mit der Figur des von Ulrich Thomsen grandios gespielten Killers für die besten Szenen sorgt. Roehler bedient sich ausgiebig im Ramschladen der Filmgeschichte: von Godards A bout de souffle über Douglas Sirk bis zu den Coen Brüdern reicht der Bogen der Zitate. Der ganze Film wirkt so, als hätte der junge John Waters eine Foto-Love Story der Bravo verfilmt. Als Idee klingt das ja recht witzig, visuell und Production Design betreffend auch blendend umgesetzt, aber hinter der pastellfarbenen Oberfläche spielt sich leider überhaupt nichts ab. Roehlers Lieblingsthema, die dysfunktionale Familie, ist grotesk überzeichnet, wie auch der Rest der absichtlich völlig unglaubwürdigen Geschichte, so dass die Wirkung der evozierten großen Gefühle beim Zuschauer völlig verpufft. Die totale Stilisierung verweist ähnlich wie bei schlechteren Ozon Filmen auf kein gesellschaftliches oder filmisches System. Der Film räkelt sich selbstzufrieden in seiner Farbenpracht und kümmert sich nicht um seine Charaktere oder die Welt da draußen. So hätte auch ein längeres Musikvideo mit dem mit Abstand besten Dialog als Schluss völlig ausgereicht: „Was ist mit deiner Mutter?“, fragt Jimi. Sie ist tot. Hast du Hunger?, antwortet Lulu.