Auf der Suche nach dem eigenen Geschlecht: Das berührende Coming-of-Age Drama zeichnet in teils betörenden, teils verstörenden Bildern die Lebens- und Leidensgeschichte der intersexuellen Alex.

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Durch einen ungewöhnlichen Chromosomensatz ist Alex sowohl mit weiblichen wie männlichen Geschlechtsmerkmalen auf die Welt gekommen. Nun, kurz vorm Erwachsenwerden, reift in der/dem jungen Intersexuellen der Wunsch, eine eigene geschlechtliche Identität zu finden. Denn obwohl nach etlichen Operationen und mit einer täglichen Dosis Kortisontabletten als Mädchen aufgezogen, wird dieser von Eltern und medizinischer Forschung vorgegebene Weg von Tag zu Tag immer stärker in Frage gestellt. Die Eltern, ratlos wie mit dieser Situation umzugehen ist und um dem Gerede von Nachbarn, Kollegen und Klassenkameraden aus dem Weg zu gehen, haben sich schon vor langer Zeit mit dem Kind auf eine kleine Insel vermeintlich fernab von neugierigen Blicken zurückgezogen. Als Ramiro, ein Freund der Familie und Spezialist auf dem Gebiet der plastischen Chirurgie, zusammen mit seiner Frau und seinem Sohn Alvaro in die Abgeschiedenheit eingeladen wird, brechen lang im Zaum gehaltene Konflikte zwischen allen Beteiligten hervor. Das scheinbar einfache Vorhaben, Alex davon zu überzeugen, sich endgültig für ein Leben als Frau zu entscheiden und der letzten Operation zuzustimmen, stößt auf großen Widerstand. Denn mit ihren 15 Jahren hat sie doch inzwischen ihre eigenen
Vorstellungen darüber entwickelt, wer sie sein möchte und weigert sich zum Schrecken ihrer Umwelt, sich auf die einfache Formel „Frau oder Mann“ festlegen zu lassen. Mit Alvaro, der gleichermaßen eingeschüchtert und fasziniert von dieser starken, widerspenstigen Persönlichkeit ist, macht sie ihre ersten sexuellen Erfahrungen, was bei beiden zu noch mehr Verwirrung über die eigene Identität führt. Keine Frage, trotz mancher Ungenauigkeiten bei der Darstellung medizinischer Details ist XXY ein wichtiger Beitrag über ein nach wie vor höchst tabuisiertes Thema. Zudem hat Regisseurin Lucía Puenzo mit Inés Efron eine großartige Darstellerin gefunden, die ihre schwierige Rolle in diesem berührenden Drama kongenial zu tragen vermag. Doch auch trotz eindringlicher, manchmal gar bestechend beklemmender Kameraführung, wunderschöner Nahaufnahmen von Gesichtern, langen schwelgenden Einstellungen der rauen Landschaft und einer stimmungsvollen Farb- und Lichtgebung: Ungereimtheiten in der Dramaturgie und Handlungssprünge, durch die erklärende Einzelheiten fehlen, machen den Film in letzter Instanz ein wenig unfokussiert, den Zuschauer beschleicht mit Fortdauer ein Gefühl seltsam unbeteiligter Befangenheit.