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Kommissar Bellamy

| Ilsa Aichhorn |

Gérard Depardieu erstmals in einem Chabrol-Film, eine Hommage an Kult-Kommissar Jules Maigret.

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„Es gibt immer noch eine Geschichte. Da ist mehr, als das Auge sieht“ – Mit diesem Zitat von W.H. Auden beschließt Claude Chabrol sein jüngstes Werk und bleibt auf gewohntem Terrain. Es wird an menschlichen Fassaden gerüttelt, die Lüge zur Wahrheit verdreht und in einem Todesfall ermittelt. Paul Bellamy ist ein Star-Kommissar aus Paris und verbringt seinen jährlichen Sommerurlaub mit seiner Ehefrau Françoise im südfranzösischen Städtchen Nîmes. Dort schleicht ein Fremder um das Haus, hinterlässt seine Telefonnummer und bittet den Kommissar um Hilfe. Noël Gentil nennt sich der Unbekannte und es stellt sich heraus, dass es sich um den vermissten Emil Leullet handelt. Der wird wegen Mordes gesucht. Er hätte einen obdachlosen Doppelgänger in sein Auto gepackt und die Klippen hinabgestürzt, um damit den eigenen Tod vorzutäuschen und die Lebensversicherung zu kassieren. Daher auch die Gesichts-OP und Verwandlung von Emil zu Noël. Doch von Mord will der Verdächtige nichts wissen, schließlich hätte der Obdachlose ohnehin Selbstmord begehen wollen. Und die Lebensversicherung war für seine Ehefrau gedacht – sie sollte versorgt sein, während er mit seiner Geliebten ein neues Leben beginnt. Eine verworrene Geschichte, in die sich Kommissar Bellamy immer weiter hinein verstrickt. Zu allem Überfluss kommt auch noch Jacques zu Besuch. Der Bruder des Kommissars ist das schwarze Schaf der Familie und weckt dunkle Kindheits-Erinnerungen. Claude Chabrol hat sich mit Gérard Depardieu, in der Rolle des Kommissars, einen Herzenswunsch erfüllt und an die Kultfigur Maigret angelehnt – Ermittlungen in der französischen Provinz, psychologisch ausgefuchst, kühn überlegt und immer einen Schritt voraus. Doch der Handlungsverlauf wirkt konstruiert, obwohl die Charaktere wunderbar besetzt sind – Gérard Depardieu und Marie Bunel als Ehepaar, in dem Stärken und Fehlbarkeiten des Partners Platz finden. Auch Clovis Cornillac als nichtsnutziger Bruder Jacques erweckt mit seiner Hilflosigkeit Mitleid. In seiner Dreifach-Rolle als Emil, Noël und obdachloser Doppelgänger ist Jacques Gamblin die Verzweiflung ins Gesicht geschrieben, er ist seiner Geliebten verfallen. Doch es ist die Gesamtkomposition des Films, die nicht richtig in Schwung kommen will. Zu viel will Chabrol hineinpacken – neben der Mord- bzw. Selbstmordgeschichte auch noch ein Familiendrama. Aus einer spannenden Geschichte hat Chabrol einen unspannenden Film gemacht. Vielleicht hätte er Audens Zitat nicht zu wörtlich nehmen sollen.