Obsessed

| Frank Arnold |

R&B-Diva Beyoncé in einem Thriller mit vorhersehbarem Ablauf.

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Freundlich und hilfsbereit ist er, der farbige Mann, als der weißen Frau im Fahrstuhl ihre Papiere auf den Boden fallen. So sieht er es und so sieht es der Zuschauer. Aber die junge Frau sieht es anders. Als sie ihm wieder begegnet, ist er ihr Boss und sie als Aushilfskraft seine Sekretärin. Wie die Dame daraus den beiderseitigen, einvernehmlichen Wunsch nach mehr ableitet, bleibt ihr Geheimnis, aber wie der Filmtitel schon sagt, Lisa ist besessen. So besessen, dass sie Derek nachstellt, ihn belästigt und am Ende in sein Heim eindringt. Aber da hat sie die Rechnung ohne seine Ehefrau gemacht … Unvoreingenommen kann man heute kaum noch einen Film im Kino sehen. Weil alles Mögliche darüber schon vorher im Internet nachzulesen ist – oder auch weil ein Filmtitel keinerlei Ambivalenzen zulässt. Wie dieser, dessen Drehbuch von David Loughery stammt, der das Thrillermuster vor einigen Monaten bereits in Neil LaButes Lakeview Terrace erprobt hat. Damals gab es im eskalierenden Spannungsverhältnis der neuen Nachbarn, eines allein erziehenden schwarzen Cops und eines jungen weißen Ehepaares, anfangs zumindest noch einige Ambivalenzen, bevor sich am Ende alles in ein gängiges Schema verkehrte. In Obsessed, dem Kinodebüt des gebürtigen Briten und Serienveteranen Steve Shill, mag der Zuschauer vielleicht eine Zeit lang darüber rätseln, ob der verheiratete Familienvater für eine „verhängnisvolle Affäre“ ebenso anfällig wäre wie Michael Douglas im gleichnamigen Filmhit aus dem Jahre 1987. Er mag ihm vielleicht noch ein „Geschieht ihm recht!“ mit auf den Weg geben, wenn er seiner Ehefrau nicht gleich die ganze Wahrheit sagt. Aber nicht erst in der Schluss-Sequenz, wenn die beiden Frauen es unter sich ausmachen, wer in diesem Haus das Sagen hat, besitzt dieser Film eine fatale Eindeutigkeit. Dass Obsessed in der Startwoche Platz 1 des US-Boxoffice eroberte und dort nach fünf Wochen immerhin 67 Millionen Dollar eingespielt hat: Müssen wir das als Rachephantasie des „Black America“ lesen, mit der die Weißen in ihre Schranken gewiesen werden, auch wenn Lisa ein besonders exponiertes Exemplar darstellt? Vielleicht zu viel der Ehre für einen Film, dessen Finale sich gut macht in einer Montage von „over the top“-Filmsequenzen, den man ansonsten aber sofort wieder vergessen hat und der einen ein wenig zweifeln lässt an der Weisheit von Beyoncé Knowles, die gerade noch in Cadillac Records als Sängerin Etta James demonstrierte, dass man auch mit wenig Leinwandzeit ein Maximum aus einer Rolle herausholen kann.