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Filmmuseums-Publikationen – Die Lehren der Kuratoren

Die Lehren der Kuratoren

| Thomas Ballhausen |

Eine auch formal reizvolle Veröffentlichung des Filmmuseums beschäftigt sich mit Theorie und Praxis der Filmarchivierung.

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Das Medium Film braucht Verlebendigung, verlangt nach Aufführung und einer Sensibilisierung des anzusprechenden Publikums. Insbesondere Archivbestände, das darin integrierte audio-visuelle Kulturerbe, bedürfen dafür einer besonders umsichtigen Rahmung und Betreuung. Das Gleichgewicht zwischen Erhaltung und Zugänglichmachung des Materials, das erfreulicherweise seit der legendären FIAF-Konferenz 1976 sowohl für die Filmwissenschaft als auch für filmbewahrende Institutionen eine bedeutende Rolle gewonnen hat, ist zur prägenden, positiven Haltung geworden. Das Bewusstsein für die Verpflichtungen gegenüber den Artefakten als auch der Öffentlichkeit spiegelt sich nicht zuletzt in der Vielzahl von Aktivitäten, die die Archive im Bereich der audiovisuellen Medien umgesetzt haben und weiterhin aktiv umsetzen. Neben der aktiven Arbeit im wissenschaftlichen Bereich gilt dies ganz besonders für die kuratorische Praxis, also die Umsetzung eines regelmäßigen Spielbetriebs. Ist die Frage nach der Definition der kuratorischen Herausforderung in den Kunstwissenschaften schon länger ein Thema, scheint sie nun auch die Filmwelt (erneut) mit voller Wirksamkeit erreicht zu haben. Die technischen Fragen nach der adäquaten Aufführung sind sehr eindrucksvoll in Sætervadets Advanced Projection Manual nachzulesen, den intellektuellen Diskurs und die geschichtliche Entwicklung über mehrere Generationen reflektiert nun das vorliegende Buch Film Curatorship. Die Autoren diskutieren dabei in sehr offener Weise die Schwierigkeiten der Erhaltung, die Kriterien und Ansprüche von Akquisition und Zugänglichmachung filmischer Materialien. Formal wählen sie dabei einen sehr reizvollen Weg, setzt sich der Band doch aus verschiedensten diskussionsgeeigneten Textformen, also Dialogen, Mails, kurzen programmatischen Einschüben (wie einer Charter of Curatorial Values) oder ergänzenden kürzeren Statemens (wie Kristin Thompsons The Celestial Multiplex), zusammen. Die Themen erweisen sich dabei als durchaus komplex und fordernd: Setzt man die im Text verhandelten Begriffe Archiv, Museum und Bibliothek etwa als extreme ideologische Positionen an, schließen sie sich in ihrer Behandlung und Nutzung des zu erhaltenden Materials fast schon zwangsläufig aus. Die Arbeitspraxis spricht freilich eine andere Sprache, die einen sinnvollen Ausgleich zwischen notwendiger Erhaltung und wünschenswerter Zugänglichmachung durchaus möglich macht. Digitalisate wiederum können – so haben es die Entwicklungen bewiesen – das eigentliche Filmmaterial freilich nicht in allen Belangen ersetzen, im Vermittlungsbereich klassischer Bibliothekskonzepte aber publikumsorientiert (und auch: materialschonend) eingesetzt werden. Polemisch formuliert braucht es also einen verstärkten archivism, der in einer Zeit verknappter Fördermittel wohl auch seriöse Geschäftsmodelle nicht scheuen darf. Dabei muss und darf das Material – dieser Befürchtung ist (nicht zuletzt in kuratorischer Arbeit) positiv entgegenzutreten – nicht zum reinen content verkommen. Die lebhafte und durchaus notwendige Diskussion um die Lebbarkeit dieses Spagats im Dienste des Materials und der Öffentlichkeit, zu der dieser Band als wichtiger und auch wertender Beitrag verstanden werden soll, dauert freilich noch an. Der jüngst von Antti Alanen, dem Leiter der FIAF Programming and Access to Collections Commission, dazu veröffentlichte Fachartikel titelt gar Reinventing Ourselves in Programming. Na, also: So lange wir leben, sind wir unsterblich.