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Lisa Stürgkh – Talentprobe einer Hochbegabten

Talentprobe einer Hochbegabten

| Oliver Stangl |

Die Fachbereichsarbeit einer Sir-Karl-Popper-Schülerin gestaltet sich als lesenswerter, stilistisch flüssig geschriebener Überblick über den österreichischen Film.

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Lisa Stürgkh ist 18 und liebt Film. Doch während viele ihrer Altersgenossinnen sich  vom Medium wohl noch eher berieseln lassen, ist Stürgkhs Interesse tiefer gehender, ihr Blick analytischer. Mit ihrer Hochbegabung fand sie an der Sir-Karl-Popper-Schule im vierten Wiener Bezirk das richtige Umfeld und mit dem legendären Filmvermittler Christian Holzmann den idealen Betreuer. „Er ist ein Weirdo im schönsten Sinne“, so Stürgkh. „Leidenschaftlich kulturell und der Meinung, dass wir von schlechten Filmen besonders viel lernen können. Alles in allem ist er sicherlich eher Mentor als Lehrer und tatsächlich eine Stütze –  keiner der Menschen, die sagen: ‚Geh, da kriegst an Platz in Oxford und dann willst sowas Deppates, Brotloses in der Kunst anfangen’ sondern der erste, der mich weiter unterstützt und immer wieder mit neuen Büchern, Filmen und leidenschaftlichen Gesprächen versorgt hat. Mit meinem last-minute-working hat er natürlich unendlich viel Stress gehabt und ohne seine nächtlichen Korrektur-Sessions – und die drängenden, bösen Anrufe – wäre das ganze sicherlich nicht möglich gewesen.“ (Ein ausführlicher Beitrag über Holzmann findet sich in ray 03/08.)

Neben dem kulturell leidenschaflichen Lehrpersonal sei ihr auch das System der Schule in puncto Filmbesessenheit sehr entgegengekommen; durch das Einräumen zeitlicher Freiheiten konnte sie etwa bei der letztjährigen Viennale 34 Filme sehen und auch auf die Berlinale reisen. Auf ihre Hochbegabung angesprochen, bleibt Stürgkh jedoch bescheiden: „Hochbegabung hin oder her, ich glaube so weit über dem Durchschnitt liegt unsere Schule da gar nicht. Interesse, Leidenschaft und eine gewisse Zielstrebigkeit spielen da eine größere Rolle.“ Schnell war klar, dass sich ihre Fachbereichsarbeit aus Deutsch um Film drehen würde, wobei den Ausgangspunkt das Schaffen Michael Hanekes bildete: „Er ist der umstrittenste Film-Auteur, den Österreich zu bieten hat: nach jedem Preis hochgefeiert, sonst aber generell eher unbeliebt. Als Enfant terrible der Sonderklasse kann er eine große Bandbreite an Meinungen und Kritiken aufweisen.“ Doch im Zuge ihrer Beschäftigung eröffnete sich für Stürgkh schnell eine vielfältige Welt des Filmschaffens; sie entdeckte die Filme Götz Spielmanns, Jessica Hausners und Arash T. Riahis: „Ich kann auf jeden Fall behaupten, den österreichischen Film schätzen gelernt zu haben. Für mich hat sich da eine neue Welt abseits von Seidl, Haneke und Albert eröffnet, die weitaus vielfältiger ist, als viele Leute erwarten würden.“

Von Fallen, Fälschern und Fragmenten, so der Titel, gestaltet Stürgkh als Regisseur-Porträts, arbeitet stilistische Besonderheiten sowie nationale und internationale Rezeption heraus. (Als Recherchequelle diente ihr dabei, nebenbei erwähnt, auch das ray-Archiv.) Ebenfalls eine spannende Lektüre: der Appendix der Arbeit, der aus Gesprächen mit Personen der heimischen Filmszene besteht. Souverän interviewt Stürgkh etwa Regisseur Götz Spielmann, Filmkritiker Stefan Grissemann oder Viennale-Leiter Hans Hurch. Letzterer nimmt sich in seinen Stellungnahmen zum österreichischen Filmschaffen der Gegenwart, wie man es von ihm kennt, kein Blatt vor den Mund.

Stürgkh zieht es mittlerweile weiter: Nachdem ihre Arbeit für eine Hilfsorganisation nahe Buenos Aires beendet ist, wird sie im Oktober 2010 ihr Studium der Experimentalpsychologie in Oxford beginnen. Sie lässt Interesse an einem Job im Bereich der Kulturorganisation anklingen, aber so weit gehe ihre Planung nun auch wieder nicht, wie sie hinzufügt. Und das ist gut so, denn auch für Hochbegabte sollte das Leben nicht nur aus Arbeit bestehen. Den Namen Lisa Stürgkh wird man sich jedenfalls merken müssen.