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Vision – Aus dem Leben der Hildegard von Bingen

| Alexandra Seitz |

Hildegard von Bingen war eine bemerkenswerte Frau, dieser Film stutzt sie auf die Heldin eines TV-Movies der Woche zurück.

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Das Problem, das sich in Margarethe von Trottas Vision – Aus dem Leben der Hildegard von Bingen stellt, wird von Produzent Markus Zimmer, vermutlich unabsichtlich, folgendermaßen auf den Punkt gebracht: „Der Hauptaspekt ist, dass sie sich in einer von Männern dominierten Gesellschaft durchgesetzt hat. Sie hat ihre Beziehungen genutzt, um ihre Interessen zu verfolgen (…). Heute heißt das Networking. (…) Viele Eigenschaften, die einen modernen Menschen auszeichnen sollten, waren in der Figur der Hildegard von Bingen bereits vorhanden.“

Die Rede ist von einem Menschen des 12. Jahrhunderts – Hildegard lebte von circa 1098 bis 1179 –, einer Zeit also, in der der Teufel eine reale Größe darstellte und einem zu viel Wissen zum Verhängnis werden konnte. Die Erde lag in Gottes Hand und war im Übrigen voller Wunder, doch wer nicht aufpasste, der stürzte über den Weltenrand und landete im Feuer der Hölle. Ein Mensch des 12. Jahrhunderts ist nicht „modern“, nur weil er sogenanntes „Networking“ betreibt. Das ist Unsinn, und es kommt darin ein nivellierendes Geschichtsverständnis zum Ausdruck, das in der Verschiedenheit immer nur das Ewiggleiche zu erkennen vermag. Und ist der kleinste gemeinsame Nenner erst einmal gefunden, wird er, wie im vorliegenden Fall, mit der sattsam bekannten dramaturgischen Bild- und Handlungsklischee-Soße überschüttet, um auch die letzten Brüche und Abgründe, Ecken und Kanten zu glätten. Leicht verdaulich zwar, aber nichtssagend ist das Ergebnis.

Über die tägliche Arbeit, den Wissensdurst und das Forschungsinteresse der heiligen Frau vom Rupertsberg – die vielen wohl eher in esoterischen Zusammenhängen ein Begriff sein dürfte, beispielsweise als Kräuter- und Heilkundlerin, deren Erkenntnisse unter dem Label „Hildegard-Medizin“ vermarktet werden – erfährt man jedenfalls bemerkenswert wenig. Und Trottas Auseinandersetzung mit Hildegards nicht geringer Bedeutung als Mystikerin erschöpft sich in einigen Szenen mit rein pragmatischer Funktion: Sie zeigt sie im Konflikt mit den Kirchenoberen und bei der Diskussion eines pikanten Details eines geplanten Buches mit ihrem Vertrauten, dem Mönch Volmar. Die prekäre Drehbuch-Prämisse, in der Figur der Hildegard von Bingen Vergangenheit und Gegenwart zugleich sichtbar zu machen, führt immer wieder zu dann falsch und schrill klingenden Kollisionen zwischen historischem Faktum und heutiger Interpretation. Und Barbara Sukowas selige Energie kann’s auch nicht retten.