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Berlin 36

| Julia Kopetky |

Die wahre Geschichte einer ungewöhnlichen jüdisch-deutschen Sportfreundschaft

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Olympische Spiele 1936, die Welt blickt nach Berlin. Die Nazis sind fest entschlossen, die Spiele zu einem Triumph der deutschen Rasse zu machen. Noch zeigt sich der menschenverachtende Wahn des Regimes nicht im vollen Ausmaß. Doch die Diskriminierung der jüdischen Bevölkerung Deutschlands bleibt im Ausland nicht unbemerkt. Die USA macht ihre Teilnahme an den Spielen davon abhängig, dass sich auch jüdische Athleten und Athletinnen für die deutsche Olympiamannschaft qualifizieren können. Und eine der weltbesten deutschen Sportlerinnen ist die jüdische Hochspringerin Gretel Bergmann. Sie wird gezwungen an den Qualifikationen teilzunehmen. Aber ein Sieg einer jüdischen Athletin für Nazi-Deutschland muss um jeden Preis verhindert werden – und dazu ist dem Regime jedes Mittel recht. Auch wenn das heißt, einen Mann als Frau gegen Gretel antreten zu lassen.

Regisseur Kaspar Heidelbach erzählt in seinem Film die wahre Geschichte der Gretel Bergmann und ihre ungewöhnliche Freundschaft mit Marie Ketteler, die eigentlich ein Mann und ihr größter Konkurrent war. Was nach einem etwas absurd grotesken Plot klingt, hat sich jedoch tatsächlich so zugetragen. Wenn man die Originalbilder der wirklichen, sehr maskulinen Marie Ketteler sieht, so ist man einigermaßen erstaunt, dass dieser offensichtliche Bluff damals nicht aufgeflogen ist. Entsprechend gelungen ist in dieser Hinsicht die Besetzung der Rolle der Marie: Sebastian Urzendowsky ist rein anatomisch betrachtet kein zarter, weibischer Jüngling, sondern ein Kerl in Frauenkleidern. Er spielt den verstörten und misshandelten Jungen, der von seiner Mutter als Mädchen erzogen wurde mit beeindruckender Echtheit. Sein Schicksal macht ihn ebenso zum Außenseiter wie Gretel, das schweißt die beiden zusammen. Karoline Herfurth ist eine trotzige, stolze Gretel Bergmann, die mit einer unheimlichen Wut im Bauch alle Demütigungen erträgt. Aber diese Wut spornt sie zu noch mehr Leistung an, jeder sportliche Erfolg ist auch ein kleiner persönlicher Sieg über die Nazis.

Die beachtlichen schauspielerischen Leistungen der beiden Hauptdarsteller können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Inszenierung selbst nur wenig Originelles zu bieten hat. Der Film folgt dem bekannten Strickmuster deutscher NS-Betroffenheitsfilme. Chronologisch, linear, ohne visuelle oder dramatische Überraschungen erzählt Regisseur Heidelbach seine Geschichte. Es ist eine Geschichte, die es wert ist erzählt zu werden, die sich aber auch etwas mehr Spannung und olympische Größe verdient hätte.