Nord Roadmovie

Filmkritik

Nord

| Bettina Schuler |

Ein melancholischer Film über die unberechenbaren Wege des Lebens

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Amerikanische Highways, Dennis Hopper auf einer Harley oder ein durchgeknallter Johnny Depp in einem roten Oldtimer-Coupé: Das sind die Bilder, die man für gewöhnlich mit dem Genre Roadmovie verknüpft. Eben Filme, in denen sich die Helden mit ihren schi-cken Gefährten auf amerikanische Highways begeben, streng nach dem Motto: raus aus dem Alltag, rein ins Abenteuer.

Doch David Lynch hat mit The Straight Story bewiesen, dass ein schäbiger Rasenmäher reicht, um ein Gefühl von Freiheit zu verspüren. Egal, wie schnell oder womit, Hauptsache man ist „on the road“.

Diese Devise hat auch Rune Denstad Langlo für seinen Film Nord gewählt und seinen Helden, den depressiven Jomar, mit dem Schneemobil auf seine Abenteuer durch halb Norwegen geschickt. Denn ins Auto oder den Bus bekommt man den ehemaligen Profisportler nicht, da er seit einem Skiunfall an Klaustrophobie und Panikattacken leidet. Völlig abgeschottet lebt er in einem alten Skilifthäuschen, das er nur im äußersten Notfall verlässt. Bis ein alter Freund ihn dort besucht und bittet, den Kontakt zu seinem vierjährigen Sohn wieder aufzunehmen. Hin- und hergerissen zwischen seinen Ängsten und dem Wunsch, sein Kind zu sehen, beschließt Jomar, sich anstatt mit dem Auto in einem Schneeschlitten auf die Reise zu begeben. Immer mit dabei: sein hochprozentiger Proviant, der ihm hilft, seine Angst unter Kontrolle zu halten.

Dem Dokumentarfilmer Langlo ist es mit seinem Spielfilmdebüt gelungen, eine Verbindung zwischen der gewaltigen, schneebedeckten Landschaft und der Melancholie der Norweger herzustellen, indem er zeigt, dass man in dieser unberechenbaren, urwüchsigen Landschaft nur dann zufrieden wird, wenn man dem Unerwarteten mit einer fatalistischen Gelassenheit entgegentritt. Jomar ist durch seinen Unfall dieser Besonnenheit beraubt worden und hat sich in der Angst vor dem Leben verloren. Erst im Verlauf seiner mühseligen Reise durch die Berge Norwegens gewinnt er seine Selbstsicherheit zurück und merkt, dass man dem Tod auch dann nicht entrinnt, wenn man die Gefahren des Lebens meidet.

Ein ruhiger Film, der sich sehr viel Zeit mit der Charakterisierung seiner skurrilen Figuren lässt und der durch seinen lakonischen Grundton einen ganz eigenen trockenen Humor entwickelt. Nur schade, dass Regisseur Langlo am Ende die Geduld verlässt, und er seinen Held allzu plötzlich am Ziel ankommen lässt.