ray Filmmagazin » Interview » George Romero – Survival of the Dead
George A. Romero

Survival of the Dead | Interview

Mehr Geld gleicht nicht aus, was man an Freiheit verliert

| Thomas Abeltshauser |

George A. Romero über seine Erfahrungen mit Hollywood-Studios, die Respektabilität von Horrorfilmen und die Zukunft seiner Zombies.

Werbung

Ihr neuer Film Survival of the Dead ist bereits der sechste Ihrer Dead-Reihe, auch andere Ihrer Filme handeln von Zombies. Wird es Ihnen nicht langsam langweilig, 40 Jahre nach Night of the Living Dead immer wieder zu den Untoten zurückzukehren?
George A. Romero: Keineswegs! Ich liebe das Genre noch immer. Und diese Filme bieten mir die Chance, meine eigenen Beobachtungen zu machen und meine kleine Sozialkritik in dieser Form auszudrücken. Es ist ein ziemlich guter Stoff! Ich werde also keinesfalls müde. Vielleicht werden Sie es ja? Ich jedenfalls liebe es!

Bei den Vorgängern war die Sozialkritik eindeutiger zu lesen. In Night of the Living Dead ging es um Rassismus, in Dawn of the Dead um die Auswüchse der Konsumgesellschaft. Was kritisieren Sie in Survival of the Dead?
George A. Romero: Ich fange immer mit der Frage an: Worum geht es in dem Film wirklich? Hier fing es vor einigen Jahren an, als sich die USA in den Irak-Krieg involvierten und all diese jungen Männer plötzlich mit Stammeskonflikten konfrontiert waren, die sie nie lösen können würden. Da wurde mir bewusst, wie uralt dieses Problem ist.

Sie verknüpfen es in Survival of the Dead dann aber mit Nordirland. Warum?
George A. Romero: Mir gefiel einfach diese Figur des Patrick O’Flynn. Man trifft Entscheidungen und hofft, dass es am Ende irgendwie zusammen passt. Völlige kreative Freiheit wie ich zu haben, hat den großen Nachteil, dass keine Polizei aufpasst, wenn ich mal über die Stränge schlage. Bei den letzten beiden Filmen konnte ich tun und lassen, was ich wollte, im Guten wie im Schlechten.

Bei Land of the Dead hatten Sie ein sehr viel größeres Budget als danach bei Diary of the Dead und nun bei Survival. Was liegt Ihnen mehr?
George A. Romero: Komischerweise war Universal, das Diary produzierte, sehr verständnisvoll und ließ mich bis auf Kleinigkeiten den Film so machen, wie ich ihn geschrieben hatte. Sie haben mich wirklich sehr unterstützt. Dabei hatte mich jeder gewarnt. Ich hatte davor erst zweimal mit einem Studio zusammengearbeitet, mit Orion bei den Filmen Monkey Shines (1988) und The Dark Half (1993). Beide Male ging es total daneben. Orion hatte den Ruf eines filmemacherfreundlichen Studios, aber es war nichts weiter als permanente Einmischungen und Meinungsänderungen. Sie hatten bereits ein Plakat entworfen und wollten dann, dass ich eine Szene in den Film einbaue, die dazu passt. All dieser typische Hollywood-Unsinn. Sie zwangen mich bei beiden Filmen, den Schluss zu ändern. Bei Diary warnten mich also alle vor Universal. „Du dachtest, Orion war der Horror? Warte, bis du denen in die Hände fällst!“ Aber es bestätigte sich nicht im Geringsten. Sie waren sehr respektvoll. Das Problem mit mehr Geld ist die größere Verantwortung, weil alles größer wird. Sogar die Rechnung für das Catering wird höher. Tausende von Dollars, für die ich früher einen ganzen Film gedreht hätte. Man kann keine spontanen Entscheidungen mehr treffen oder improvisieren, jede Drehbuchänderung muss genehmigt werden. Und mehr Geld ist oft nicht genug, es gleicht nicht aus, was man an Freiheit verliert.

Mit Ihrem neuen Film wurden Sie sogar in den Wettbewerb der Filmfestspiele von Venedig eingeladen. Hat Sie das überrascht?
George A. Romero: Oh ja! Zuerst dachte ich, er soll in einer Nebenreihe nach Mitternacht laufen. Als Festivaldirektor Marco Müller entschied, er soll in den Wettbewerb, war ich sehr überrascht. Ich bin mir noch immer nicht sicher, ob das so richtig war …

Wird aus dem „Schmuddelgenre“ Zombiefilm doch noch achtbare Filmkunst?
George A. Romero: Das bezweifle ich. Es wird noch immer diskriminiert. Viele fühlen sich regelrecht beleidigt, dass ein solcher Film auf einem großen Festival im Wettbewerb gezeigt wird. Es ist etwas für Kenner, man muss den Geschmack dafür erst entwickeln. Und viele können sich nicht von traditionellen Vorstellungen über Horrorfilme lösen, nehmen das Genre nicht ernst und machen sich erst gar nicht die Mühe, nach möglichen Subtexten oder Metaphern zu suchen. Sie sehen nur den Film und denken: „Oh mein Gott, wie schrecklich!“

Schrecklich schön ist zum Beispiel die Szene, in der ein Zombie mit einem Feuerlöscher platt gemacht wird …
George A. Romero: Es gibt eine ganze Reihe Gags, die wie aus der „Looney Tunes“-Serie wirken. Das ist ein weiterer Grund, warum viele meine Filme ablehnen, weil sie den Humor nicht erkennen oder im Kontext für unangebracht halten. Die meisten Horrorfilme der letzten Jahre waren unglaublich düster und humorlos. Ich habe Horror immer mit einem Schmunzeln gesehen und orientiere mich eher an den ganz frühen Comics, bevor sie zensiert wurden. Sie waren brutal und blutig und sie hatten immer eine Moral. Damit bin ich aufgewachsen, und das fand ich witzig.

Waren für Survival of the Dead auch Western ein Einfluss?
George A. Romero: Klar, ich liebe John Ford und all die Jungs. Aber der Film, der mich ganz konkret inspiriert hat, war William Wylers The Big Country, den habe ich allen gezeigt. In Western geht es ja fast immer um das Individuum und wie es versucht zu überleben – „Survival of the Fittest“. Während es in meinen Filmen ja eher um Revolution geht und die Identität weggenommen wird. Ein interessanter Kontrast.

Wie kamen Sie vor 40 Jahren auf die Idee, einen Film über Zombies zu machen?
George A. Romero: Die Idee zu Night of the Living Dead habe ich auf eine Art von Richard Mathesons Science-Fiction-Roman „I am Legend“ geklaut. Dort griffen Vampire an, also musste ich mir zumindest dafür etwas Neues einfallen lassen. Ich überlegte, wie müsste eine Spezies sein, die mordend durch die Gegend zieht und die Welt radikal verändert, ohne dass die Leute Mitleid mit ihnen haben? Also dachte ich: Wie wäre es, wenn es von den Toten Auferstandene wären, Untote? Zombies habe ich sie damals nie genannt.

In modernen Zombiefilmen wie 28 Days Later und 28 Weeks Later sind diese Kreaturen sehr viel aggressiver. Was halten Sie von dieser Entwicklung?
George A. Romero: Sie sind aggressiver, ja, aber vor allem sind sie nicht tot! Sie sind einfach nur sehr, sehr wütend. Für mich geht das in Ordnung. Aber als Zac Snyder das Remake zu Dawn of the Dead machte, hatte ich den Eindruck, diese Zombies gehen nach dem Aufwachen als Erstes ins Fitnessstudio. Das fand ich sinnlos. Ihre Gelenke würden brechen. Viele finden ja schnelle Monster furchteinflößender. Aber mich beeindruckten als Kind immer Filme wie The Mummy, wo die Mumie langsam, aber unaufhaltsam immer näher kommt. Mittlerweile gibt es online eine Riesendebatte über die Frage, wie sich Zombies wirklich bewegen. Da muss ich meine Jungs natürlich verteidigen. Aber ich habe viele Fans auf meiner Seite. Kürzlich sah ich einen, auf dessen T-Shirt stand: „Fast Zombies Suck!“

Im Film gibt es auch einen Spruch, wie man sich am besten verteidigt: „High tech, low tech, no tech“ – auch eine Anspielung auf CGI und Special Effects im Kino?
George A. Romero: Ich bevorzuge noch immer die alte Schule, alles mit Prothesen und mechanisch zu machen, aber einige Dinge kann man praktisch nur computeranimiert machen, wie die Feuerlöscher-Szene etwa. Es macht vieles einfacher und schneller.

Der Schluss suggeriert eine mögliche Koexistenz zwischen den Lebenden und den Untoten. Ist Survival of the Dead der letzte seiner Art?
George A. Romero: Nein, das hängt vor allem davon ab, wie er an der Kinokasse überlebt. Land of the Dead war so erfolgreich, dass wir gleich Diary machen konnten. Und auch der spielte so viel ein, dass man noch einen wollte. Wenn das wieder passiert, werde ich weitermachen.

Dann als Kommentar auf die Bankenkrise? Die Zombies der Wall Street wollen sicher viele erledigt sehen.
George A. Romero: Tolle Idee, aber keine Ahnung, wie ich das hinkriegen soll. Diese Zombies wären wohl ein bisschen zu smart. Und zu verschlagen. So schnell entwickeln sich meine nicht.

Die ersten drei Teile entstanden in verschiedenen Dekaden, die letzten drei innerhalb weniger Jahre …
George A. Romero: Wenn man viel Zeit zwischen den Filmen hat, gibt es einem auch die Möglichkeit, sie sehr unterschiedlich zu machen. Aber vieles ist einfach Zufall oder Gelegenheit. Und auch die neueren haben verschiedene Themen. In Land of the Dead ging es um die Bush/Cheney-Ära und in Diary um den Einfluss der elektronischen Medien. Der jetzige ist dagegen sehr viel universeller.

Wie sehen Sie die Zukunft des Zombiegenres?
George A. Romero: Wenn ich irgendetwas damit zu tun habe, dann auf jeden Fall langsam, aber wer weiß. Irgendjemand wird wieder etwas dazuerfinden, sie können mittlerweile auch an der Decke laufen. Sobald etwas Geld macht, wollen sie mehr in dieser Richtung. Ich bin dieser Entwicklung gegenüber sehr zynisch. Aber ich bin mit meinem Film ganz zufrieden und mache weiter, so lange man mich lässt. Ich habe eine kleine, aber enthusiastische Fangemeinde, die jeden meiner Filme sieht, im Kino oder auf DVD.

Was fasziniert das Publikum seit Jahrzehnten an Zombies?
George A. Romero: Es geht ja – verzeihen Sie die Verallgemeinerung – im Grunde immer um die gleiche Geschichte: Zombies greifen an, Zombies müssen getötet werden. Ganz ehrlich: Ich habe nicht den blassesten Schimmer. Unter den Hardcore-Horrorfans gibt es einige, die auf mein Zeug stehen, weil ihnen der allegorische Aspekt daran gefällt. Aber ich kann wirklich nicht sagen, warum das Zombie-Genre per se so ein Massenphänomen geworden ist. Aber man muss auch sagen, dass die meisten dieser Filme nicht wahnsinnig viel Geld eingespielt haben, verglichen mit anderen Genres wie Vampirfilmen. Vielleicht liegt es daran, dass all diese Kreaturen inzwischen wie alte Bekannte sind. Es gibt sogar schon einen Vampir in der Sesamstraße.

Und die tanzenden Zombies in Michael Jacksons legendärem „Thriller“-Video …
Lassen Sie mich bloß nicht davon anfangen!