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Das Bildnis des Dorian Gray

Filmkritik

Das Bildnis des Dorian Gray

| Ralph Umard |

Optisch opulente und unterhaltsame Neuverfilmung des Romanklassikers von Oscar Wilde.

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Wie wild sticht Dorian Gray auf den Maler ein, das Blut spritzt – gleich vom splattermäßigen Start weg wird klar, dass es sich hier um eine sehr eigenwillige Adaption des berühmten Romans von Oscar Wilde handelt, die freier mit dem Stoff umgeht als frühere Verfilmungen. Unentwegt ist die Kamera in Bewegung, sie schwenkt und schwebt, es gibt computergenerierte Effekte zuhauf, man ist sichtlich bemüht, den über 100 Jahre alten Klassiker einem jungen Publikum mit einem überwältigenden Bilderwirbel nahe zu bringen. Das Buch dagegen fasziniert vor allem durch die geschliffenen Dialoge und das brillante Feuerwerk von Wortspielen. „Mit der Geschichte verhält es sich ähnlich wie mit meinem Leben – nur Konversation, keine Handlung“, meinte Wilde zu seinem Werk.

Dorian Grays Geschichte beginnt, als der bildschöne Jüngling nach London kommt und für ein Gemälde Modell steht. Von seinem eigenen Porträt überwältigt, äußert er den Wunsch, ewig jung und schön zu sein, stattdessen solle das Porträt altern – wunderbarerweise geht dieser Wunsch in Erfüllung. Während Dorian jahrelang ein Dasein in Saus und Braus mit Gin, Opium und Sex-Orgien führt und sich vom naiven Twen zum zynischen Narziss wandelt, verändert er sich äußerlich nicht, doch sein Bildnis zeigt die Spuren seines lasterhaften Lebens, altert und wird immer mehr zur scheußlichen Fratze. Es scheint eine unheimliche Macht über Dorian zu haben, der es auf den Dachboden seines Herrenhauses verbannt.

Themen wie Jugendkult, Oberflächlichkeit, moralische oder sittliche Haltlosigkeit sind heute im Medienzeitalter aktueller als zu Oscar Wildes Zeiten. Während Dorian Grays Ausschweifungen im Roman nur sachte angedeutet sind, werden sie im Film explizit in Szene gesetzt – besonders spektakulär in einer Maskenball-Sequenz, eine Szene im Luxusbordell erinnert an Fellinis Filmstil in Satyricon. Vieles wird gänzlich anders als in Wildes Roman dargestellt, wo etwa Dorian Gray zwar auch den Maler umbringt, die Beseitigung der Leiche aber nicht selbst besorgt, sondern einem Bekannten überlässt, der sie in Säure auflöst. Regisseur Oliver Parker begann seine Kinokarriere als Schauspieler in Filmen wie Hellraiser und Nightbreed, auch im Theater arbeitete er mit dem Horrorspezialisten Clive Barker zusammen. Diese Erfahrungen sind nun auch ganz offensichtlich in seinen Film eingeflossen, was sich besonders deutlich am Schluss manifestiert, wenn Dorian Gray buchstäblich zur Hölle fährt.