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Young Victoria

Filmkritik

Young Victoria

| Alexandra Seitz |

Wie Queen Victoria regieren und lieben lernte, ist schön anzusehen und wenig zu bedenken.

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Königin Victoria von England und ihr Cousin und Gemahl Albert von Sachsen-Coburg und Gotha hatten Glück. Sie liebten einander. Und Liebesheiraten waren im Hochadel, der die Herrschaft der Welt mit Hilfe verwandtschaftlicher Beziehungen diplomatisch geschickt zu managen wusste, nicht eben gang und gäbe. Doch zur jeweils großen Überraschung fanden Victoria und Albert einander auf den ersten Blick sympathisch. 1840 werden die beiden vermählt, und in den 21 Jahren ihrer Ehe – Albert starb 1861 mit 42 Jahren an Typhus und hinterließ eine lebenslang trauernde Witwe – zeugten die beiden neun Kinder, deren unzählige Nachkommen in unzähligen Fürstenhäusern Victoria den Beinamen „Großmutter Europas“ einbrachten. Darüber hinaus gab sie dem langen Zeitalter ihrer Regentschaft von 1837 bis 1901 ihren Namen.

Doch nicht die Viktorianische Ära steht im Mittelpunkt von Jean-Marc Vallées Historienfilm The Young Victoria, sondern jene kurze Zeitspanne, in der das isoliert erzogene, unerfahrene Mädchen zur Königin wird, sich gegen Intriganten und Ränkeschmiede zur Wehr setzen muss – und Albert kennen und lieben lernt. Darin liegt auch schon das Problem. Der Film kann sich zwischen Politik und Liebe nicht entscheiden. Für eine herzhafte Romanze kommen zu viele politische Hintergründe ins Spiel, die wiederum diffus und kursorisch bleiben, weil schließlich auch die Geschichte der Liebenden erzählt werden soll. Und während es Stephen Frears mit The Queen und Saul Dibb mit The Duchess gelang, die komplexe, die Lebenswirklichkeit in Herrscherhäusern prägende Wechselwirkung von Charakter und Gesellschaft, Individuum und Protokoll in ihrer faszinierenden Vielschichtigkeit darzustellen, bleibt Vallée mit The Young Victoria immer wieder im Dekorativen und Anekdotischen stecken. Daran können auch Emily Blunt und Rupert Friend nichts ändern, die die Figuren von Victoria und Albert zwar mit Leben füllen, aber kaum einmal Gelegenheit erhalten, ihnen auch Tiefe zu verleihen. Das alles ist dann schön anzusehen und wurde dementsprechend mit einem Oscar für Kostümdesign belohnt, aber mehr ist es eben nicht. Und schon gar nicht wird es der historischen Bedeutung einer Königin gerecht, die länger auf dem Thron saß als jeder andere Monarch, und unter deren Regentschaft das britische Empire eine seiner glänzendsten und zugleich widersprüchlichsten Epochen erlebte.