Koma Film

Filmkritik

Koma

| Günter Pscheider |

Die Reise eines Mannes am Scheideweg zwischen Kleinbürgerhölle und Erlösung als filmisches Experiment.

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Der erste abendfüllende Spielfilm des Theaterregisseurs Ludwig Wüst macht es seinem Publikum definitiv nicht leicht: Eine Handlung mit einem konventionellen Spannungsbogen wird man vergeblich suchen, in langen Einstellungen wird vor allem ein Zustand beschrieben, der aber immer in der Schwebe bleibt. Der Taxifahrer Hans wird von seiner Familie und seinen Freunden zur Feier seines 50. Geburtstags erwartet. Als er schließlich nach zielloser Fahrt durch die Gegend doch nach Hause kommt, ist schon alles vorbei. Seine Frau hat einen Geliebten, sein Sohn interessiert sich mehr für ein brutales Gewaltvideo als für die Befindlichkeit von Hans. Eigentlich bleibt ihm nichts mehr zu tun, als die Pistole an die Schläfe zu setzen und abzudrücken, doch die verstörenden Bilder einer gepeinigten Prostituierten auf dem Computer seines Sohnes geben seinem Leben eine unerwartete Richtungsänderung. Die zweite Hälfte des Filmes erzählt in statischen Bildern von der Aufarbeitung einer nie ausgesprochenen Schuld und von der vagen Möglichkeit eines Lebenssinnes für den aus seiner Welt ausbrechenden Familienvater.

Einzelne, vor allem stumme Szenen überzeugen in ihrer Beobachtungsgabe und stillen Dringlichkeit durchaus, vor allem der Kontrast zwischen dem sehr verstörend inszenierten Snuff-Video und der beiläufigen Alltäglichkeit einer Familie, die in die Jahre gekommen ist, in der aber die emotionale Gewalttätigkeit auch durch die Abwesenheit von Kommunikation immer spürbar ist, wirkt noch lange nach. Leider treffen einige der Schauspieler den richtigen Ton nicht, dadurch geraten gerade die langen Szenen der Festvorbereitung zum manchmal unfreiwillig komischen Desaster. Der Film findet keinen richtigen Rhythmus, ein Übermaß an Ambivalenz gepaart mit viel Leerlauf sorgt trotz immer wieder sehr dichter Szenen eher für Fadesse als für den vielleicht beabsichtigten Zustand der konstruktiven Irritation, den etwa vor allem die frühen Filme eines Michael Haneke exzellent evozieren können. Im wohl nicht ganz zulässigen Vergleich vor allem im Drehbuchbereich wird deutlich, dass Haneke sein Handwerk in langen Jahren gelernt hat und jetzt über die formalen Mittel verfügt, seine Ideen adäquat aufs Papier zu bringen, sodass nicht nur die Gedanken zum Film ausformuliert gut klingen, sondern diese Konzepte auch auf der Leinwand zu sehen sind. Von dieser formalen und inhaltlichen Souveränität ist der zweifellos talentierte Ludwig Wüst mit diesem Low-Budget- Film aber noch ein ganzes Stück weit entfernt.