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Mahler auf der Couch

Filmkritik

Mahler auf der Couch

| Harald Mühlbeyer |

Gustav Mahler trifft Sigmund Freud.

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Im Jahr 1910 konsultiert Gustav Mahler den Arzt Sigmund Freud, um ihm von den Bedrückungen in seiner Ehe zu erzählen: Mahlers Frau Alma hat nämlich eine Affäre mit einem jungen Architekten, Walter Gropius.

Freud soll Ehe und Liebe retten, doch der ist wegen der Unterbrechung seines Urlaubs nicht sehr erbaut. Johannes Silberschneider und Karl Markovics liefern sich in dieser Konsultationssituation, abgeschnitten von der Welt im niederländischen Städtchen Leyden, witzige Wortgefechte, hier macht der Film am meisten Spaß. Das Regieduo, Percy Adlon und sein Sohn Felix, geht ironisch mit dem Stoff um, inklusive kleiner Scherze um das heutige  Freud-Image.

Zugleich nehmen sie diese Rahmenhandlung als Anlass für eine Rückschau auf Leben, Liebe und Leiden von Gustav Mahler, der himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt an seiner Alma hängt und sie zugleich – schließlich ist er das Genie in der Familie – künstlerisch wie persönlich unterdrückt. Auf dieser Handlungsebene schrecken die Adlons auch vor Kitsch nicht zurück, beinahe wie in einer Seifenoper entfaltet sich das Liebesdrama. Wobei mitunter etwas volkshochschulhafte didaktische Exkurse in die Dialoge eingebaut sind, in denen Freud eine Drei-Satz-Einführung in sein Denken gibt, Gropius die moderne Architektur umreißt oder Alma einen emanzipatorischen Monolog sprechen darf.  Zudem durchbrechen die Regisseure diesen Strang des Films und durchsetzen sie mit Mitteln Brechtscher Verfremdung, wenn Nebenfiguren sich unvermittelt direkt an den Zuschauer wenden, um Briefe als historisches Quellenmaterial zu verlesen oder persönliche Einschätzungen des Geschehens und der Filmfiguren abzugeben. Und über allem liegt die Musik Gustav Mahlers.

Auf merkwürdige Weise laviert der Film so zwischen geistreicher Unterhaltung, bildungsbürgerlichem Namedropping der Wiener Belle Epoque, essayistischer Selbstbetrachtung und unfreiwillig komischem High-Camp: Mindestens zwei Filme und vier Ansätze, diese zu erzählen, stecken in Mahler auf der Couch. Zwischen Liebesdrama, Biografie, Epochenporträt und Kabbeleien auf der Psychoanalytiker-Couch wollen die Adlons zu viel – erreichen aber immerhin, dass sich der Filmzuschauer nicht langweilt. Am Ende ist zwar nicht alles gut, aber ein bisschen freundschaftliche Versöhnung gibt es doch: „Ich bin der Gustl.“ – „Und ich bin der Sigi.“