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Women Without Men

Filmkritik

Women Without Men

| Gabriela Seidel-Hollaender |

Der erste Spielfilm von Shirin Neshat, Women Without Men, erzählt die Geschichte von vier Frauen im Iran der Fünfziger Jahre.

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Ein Bild, wie für eine Fotografie komponiert: ein weißes Flachdach, darauf eine schwarz verschleierte Frau. Sie bewegt sich zum Rand des Dachs, der Muezzin ruft, sie schaut hinunter und springt in die Tiefe. Eine weibliche Stimme sagt: „Man kann sich vom Schmerz nur befreien, indem man sich von der Welt befreit.“ Dann führt uns die Kamera hinaus aus der Stadt, an einem Flüsschen entlang zu einem verwunschenen, märchenhaft anmutenden Garten. Hier werden sich später die Wege der vier Protagonistinnen des Films kreuzen. Sie alle sind von Repression und Gewalt Getriebene, die hier einen Moment des Respekts und der Freiheit finden. Der erste Spielfilm der exiliranischen Künstlerin Shirin Neshat führt zurück in die Fünfziger Jahre. Anhänger des ersten demokratisch gewählten Präsidenten des Iran, Mohammed Mossadegh, ziehen durch die Straßen Teherans und fordern Freiheit und Demokratie. Mossadegh wird durch einen von Großbritannien und den USA unterstützten Staatsstreich gestürzt werden. Aus der Perspektive von vier sehr unterschiedlichen Frauen, einer wohlhabenden Kunstliebhaberin, einer jungen Prostituierten, einer politischen Aktivistin und deren Freundin, die Opfer einer Vergewaltigung wurde, erinnert Shirin Neshat an die Unruhen und Umbrüche jener Jahre, die den aktuellen Bildern

aus dem Iran verblüffend ähnlich sind. Die Flucht vor dem eigenen Schicksal, das jedoch von der Gewalt geprägt ist, die von den Männern gegen die Frauen ausgeht, führt sie alle zu diesem traumartigen Garten vor den Toren Teherans.

Women without Men ist der erste Spielfilm der in New York lebenden Künstlerin Shirin Neshat, die mit ihrer Fotoserie „Women of Allah” international bekannt wurde. Seit Mitte der Neunziger Jahre arbeitet sie mit Videoinstallationen, deren Sprache aus genau komponierten, oft rätselhaften Bildern eine kritische Auseinandersetzung mit der islamischen Welt darstellen. Neshat dechiffriert die Codes und gesellschaftlichen Realitäten der islamischen Welt durch realistische und gleichsam phantasievolle, starke Bilder. Ihr Spielfilm, für den sie im letzten Jahr beim Internationalen Filmfestival in Venedig mit dem Silbernen Löwen für die Beste Regie ausgezeichnet wurde, ist denn auch voller großartig komponierter Tableaus, die überaus bildgewaltig sind. Doch gerade hier liegt das Problem des Films, dessen Einzelteile wie aneinander gehängte Installationen wirken. Neshat weist auf die historische Bedeutsamkeit der Aufstände im Iran von 1953 hin, verliert sich in der Darstellung jedoch allzu sehr in zeichenhaften Rätselbildern.