Im April 2001 wurde die Einsetzung der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH (RTR-GmbH) gesetzlich verankert. Die RTR-GmbH besteht aus den zwei Fachbereichen Rundfunk und Telekommunikation und unterstützt als Geschäftsstelle die Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria), die Telekom-Control-Kommission (TKK) und die Post-Control-Kommission (PCK). Geschäftsführer für den Bereich Rundfunk ist seit damals Alfred Grinschgl, und zu seinem Ressort gehört auch der 2004 gegründete Fernsehfonds Austria.
Vorrangige Aufgabe des Fernsehfonds ist es, die österreichische Fernsehfilmproduktion zu unterstützen und anzukurbeln. Alfred Grinschgl entscheidet letztlich allein über die Vergabe der Fördermittel; allerdings steht ihm ein fünfköpfiger Fachbeirat zur Seite, der die Anträge auf ihre Richtlinientauglichkeit, auf ihre finanzielle Gebarung hin und natürlich auch inhaltlich prüft. Diesem Beirat gehören zur Zeit Andreas Hruza (Andreas Hruza AV Medienbüro GmbH) als Vorsitzender, sein Stellvertreter Werner Müller (Wirtschaftskammer Österreich), Bettina Leidl (Kunsthalle Wien), Gerlinde Seitner (Österreichisches Filminstitut) und Matthias Settele (SetTele Entertainment GmbH) an. Im Jahr 2009 wurden 49 Projekte (20 Spiel-, 26 Dokumentarfilme und drei Serien) vom Fernsehfonds Austria gefördert, die finanzielle Aufteilung betrug dabei 75 Prozent für Spielfilme, 15 Prozent für Serien und zehn Prozent für Dokumentarfilme. Die höchsten Förderungen entfielen auf den Zweiteiler „Sisi“ (1,4 Mio. Euro) und auf die fünfte Staffel der Krimiserie „Soko Donau“ (1,2 Mio. Euro). Alfred Grinschgl spricht im „ray“-Interview über Budgets, die Förderung junger Firmen, über Umwegrentabilität und wirft einen optimistischen Blick in die Fernsehzukunft.
Wie sind Sie denn mit der Entwicklung des Fernsehfonds Austria zufrieden?
Sehr. TV-Projekte wurden ja bis zum Jahr 2004 vom Filmfonds Wien und vom Österreichischen Filminstitut mitgefördert. Nun gibt es diese Förderung, die damals mit einer Dotation von 7,5 Millionen Euro eingeführt wurde. Seit dem Jahr 2009 haben wir 13,5 Millionen Euro, die wir der österreichischen und europäischen Film- und Fernsehwirtschaft zugute kommen lassen können. Und wir konnten immer wieder auch neue Ideen einbringen. Ein Punkt, der umgesetzt wurde, ist, dass wir nun auch den Auslandsvertrieb von Filmen, vor allem von Dokumentationen, fördern können. Die meisten dieser Filme sind auf Deutsch, international braucht man aber zumindest englische Untertitel, um die Filme auch tatsächlich verkaufen zu können. Die Kosten dafür können jetzt von uns mit bis zu 50 Prozent gefördert werden, ebenso die Teilnahme an internationalen Kongressen und Konferenzen. Wir tun also konkret etwas für die Auslandsverwertung.
Es gibt seit einiger Zeit auch eine Fernsehfilmförderung des Filmfonds Wien. Wo liegt da der Unterschied?
Das ist die Wiener Förderung, eine Regionalförderung, so etwas gibt es in mehreren Bundesländern, wobei diese Förderungen teilweise nach anderen Kriterien vergeben werden als bei uns. Uns geht es ausschließlich um die wirtschaftliche Leistung hier in Österreich, bei der Regionalförderung geht es vielfach auch um touristische Aspekte. Das ist bei uns kein Thema. Ein Film kann überall auf der Welt gedreht werden, sofern bestimmte wertschöpfende Maßnahmen in Österreich stattfinden, zum Beispiel das Engagement von Schauspielern, Kamerateam, Schnitt.
Ihre Förderrichtlinien werden gerade überarbeitet. Worum geht es da genau?
Wir sind gerade dabei, und werden sie demnächst zur Notifizierung in Brüssel einreichen, wobei die Richtlinien nur in kleinen Punkten ergänzt werden. Zum Beispiel können wir nach dem neuen Gesetz ein Projekt nicht nur mit 20 Prozent der Gesamtsumme fördern, sondern mit bis zu 30 Prozent – freilich unter bestimmten Bedingungen, etwa bei einem herausragend hohen österreichischen Beschäftigungsanteil. Dann gibt es immer wieder kleinere Änderungen, die Dinge zwischen uns und den Fernsehanstalten regeln. Neu ist zum Beispiel, dass wir nur dann fördern, wenn zumindest eine Fernsehanstalt 20 Prozent des Projektes finanziert. Das betrifft auch Dokumentationen. TV-Spielfilme weisen im Regelfall eine 40- bis zu 70-prozentige Finanzierung durch Fernsehanstalten auf. Bei Dokumentationen gibt es oft viel geringere Anteile.
Kommen die Projekte von Produktionsfirmen, oder sind das schon Auftragsarbeiten für Fernsehanstalten?
Projekte, die bei uns eingereicht werden, müssen ja von unabhängigen Produzenten hergestellt werden. Daher gehe ich davon aus, dass das Produktionen sind, die die Produktionsfirma selbst entwickelt hat und anbietet – und dann steigt eben der ORF oder auch ARD, ZDF oder Sat1 ein.
Man muss also schon eine Fernsehanstalt an Bord haben, wenn man den Antrag stellt?
Richtig. Eine Zusage von uns bekommt ein Film nur dann, wenn er mit mehr als 50 Prozent finanziert ist – die weiteren Teile kann man nachher noch festmachen. Dann bekommt er von uns einen bedingten Vertrag, und die Bedingungen, nämlich zum Beispiel die gesamte Finanzierung, müssen dann innerhalb von sechs Monaten umgesetzt sein. Bis dahin brauchen wir die Verträge der Fernsehanstalten, die vereinbarten Zusagen von anderen Fördereinrichtungen und so weiter
Wie sind denn die rechtlichen Voraussetzungen der RTR?
Die RTR ist eine GmbH, die zu 100 Prozent im Eigentum der Republik Österreich steht, wobei der Fachbereich Rundfunk bzw. Medien zum Bundeskanzleramt ressortiert. Im Fernsehbereich arbeiten wir ausschließlich mit Steuergeldern, wir haben aber auch andere Aufgaben, wie zum Beispiel die Rundfunkregulierung. Da zahlen natürlich die Rundfunkanstalten ihre Marktanteile hinein, sprich ORF, ATV usw., aber teilweise auch wiederum der Bund. Fernsehförderung ist eine Förderung aus österreichischen Steuergeldern.
Also nicht aus Rundfunkgebühren?
Schon aus Rundfunkgebühren, aber nicht aus jenem Topf, der Teil des Programmentgeltes des ORF ist. Zwei Drittel der Rundfunkgebühren gehen als Programmentgelt an den ORF, ein Drittel teilt sich auf Landesförderungen, Kunstförderung des Bundes, Mehrwertsteuer und TV- und Radiosteuer auf. Das sind die Dritteleinnahmen der öffentlichen Hand. Die werden über die Rundfunkgebühren eingehoben, fließen aber teilweise der Republik zu. Davon bekommen wir die 13,5 Millionen Euro Fernsehförderung. Die werden über Rundfunkgebühren eingehoben, kommen aber eben nicht aus dem Programmentgelt.
Worin, glauben Sie, liegt der Hauptnutzen für österreichische Produktionsfirmen?
Hätten wir diese Förderung nicht, würden viele deutschsprachige Koproduktionen nicht in Österreich entstehen. Das ist sicher ein Hauptverdienst des Fernsehfonds Austria. Ein österreichischer Produzent hat die Möglichkeit, einer Fernsehanstalt einen Film anzubieten, der zum Beispiel zu 20 Prozent vom Fernsehfonds Austria gefördert ist, zu zehn Prozent von einer Regionalförderung und zu 20 Prozent vom ORF. Das heißt, die Hälfte ist finanziert. Wenn dann eine deutsche Fernsehanstalt einsteigt, zahlt die dann praktisch nur noch die Hälfte des Films, den sie dann eben in Salzburg dreht und nicht in Bayern. Das trägt schon massiv dazu bei, dass der Filmstandort Österreich nicht nur deutlich stabilisiert, sondern ausgebaut werden konnte. Es gibt ja bei uns doch einigermaßen große Firmen, die immer wieder Aufträge haben: Satel, Dor, Allegro, MR, Wega, EPO …
Das sind die großen, etablierten, aber wie schaut es mit kleineren, jüngeren Firmen aus?
Die großen Firmen bieten vor allem Serien und Spielfilme an, bei Dokumentarfilmen ist das Angebot etwas vielfältiger, da gibt es auch junge Firmen, die wir vor 20 Jahren nicht gekannt haben und die in den letzten 10 bis 15 Jahren entstanden sind. Da werden hervorragende Dokumentationen eingereicht. Wir haben in den letzten Jahren viele Dutzende Dokumentarfilme gefördert.
Lässt sich das Verhältnis zwischen der Höhe Ihrer Fördermittel und dem, was die Produzenten hier in Österreich ausgeben, beziffern?
Im Jahr 2008 wurden von uns Produktionen mit Gesamtherstellungskosten von 55 Millionen Euro gefördert. Von diesen 55 Millionen Euro kamen 7,5 Millionen von uns, weitere ungefähr 7,5 Millionen vom ORF, während deutsche Fernsehanstalten etwas mehr als 38 Prozent finanziert haben – bei Filmen, die im Regelfall auch in Österreich gedreht wurden.
Das heißt, es wird Geld ausgegeben via Umwegrentabilität, für Hotels, Infrastruktur usw.
Ganz sicher. Mir ist jenes Geld besonders wertvoll, das eine deutsche Fernsehanstalt hier bei uns in Österreich investiert. Der ORF gibt das Geld im Regelfall ohnehin in Österreich aus, bei ARD, ZDF und Sat1 ist das nicht so selbstverständlich.
Weil Sie Ko-Produktionen angesprochen haben – kann man das beziffern?
Ko-Produktionen haben wir im Regelfall eher bei Spielfilmen und Serien. Von den bisher geförderten Filmen des Jahres 2010 sind sehr viele Ko-Produktionen, das ist einer unserer Schwerpunkte, deutschsprachige vor allem. Nach Frankreich oder Portugal werden selten Stoffe verkauft. Natürlich gibt es das auch, aber zu 80, 90 Prozent sind das deutschsprachige Produktionen.
Wenn man „unabhängige Produzenten“ hört, denkt man:
„Inwiefern unabhängig? Die sind doch alle von Fördermitteln abhängig“ – das ist bei Ihnen wohl nicht gemeint …
Nein, sie sollen unabhängig sein von Fernsehanstalten. Das ist ja in Deutschland durchaus nicht immer der Fall: Die Bavaria, die große Filmproduktion in München, gehört mehrheitlich der ARD. Das gibt es bei uns in Österreich ja kaum – ausgenommen von Satel, das ist eine Tochter der Bavaria. Satel ist für uns gegenüber der ARD nicht unabhängig, sehr wohl aber gegenüber dem ZDF. Deswegen fördern wir Satel, wenn sie „Soko Donau“ in Wien dreht, diese Produktion wird vom ZDF ausgestrahlt.
Letztlich entscheiden ja Sie über die Förderungen. Folgen Sie dabei immer den Empfehlungen des Beirats?
Das ist ein kritischer Punkt, sowohl für die Beiratsmitglieder als auch für mich selber. Mein Interesse ist natürlich, mit dem Fachbeirat übereinzustimmen und in jedem Punkt so zu fördern, wie er das empfiehlt. Es gibt Ausnahmen, wo wir nicht einer Meinung sind, aber das sind maximal fünf Prozent der Fälle.
Gibt es Projekte, die Sie abgelehnt haben, obwohl sie vom Beirat empfohlen wurden?
Nein, eher ist es umgekehrt, dass ich Dinge fördere, die vom Beirat abgelehnt wurden. Im Zweifelsfall bin ich eher für eine Förderung. Natürlich hat eine Förderung auch mit Ermessen zu tun. Deswegen gibt es Menschen, die darüber entscheiden müssen, weil nach dem Gesetz, nach Buchstaben kann man das nicht wirklich entscheiden.
2009 haben Sie 26 Dokumentarfilme gefördert. Was kann man sich darunter vorstellen?
Zum Beispiel: „Alpenklöster“, „Der Arlberg“, „Der Inn“, „Albert Schweitzer“. Viele Dokumentarfilme haben ein klares Österreich-Thema, aber andere Produktionen, zum Beispiel „Mutter Teresa“, kann ich genauso in Skandinavien herzeigen. Solche Filme muss man eben auch im Vertrieb unterstützen, und davon gibt es immer mehr. Gerade die „Universum“-Geschichten, ein Markenzeichen des ORF, verkaufen sich sehr gut.
Eine Doku-Soap war auch dabei …
Ja, „Österreich isst besser – Das Teenager-Camp 2“, über junge Leute, die zu viel Gewicht haben und in der Serie von mal zu mal abnehmen.
Lange Fernsehdokumentarfilme, gibt es sowas überhaupt?
Sehr selten. Im Regelfall sind das fernsehtypische 45-Minuten-Geschichten.
Nach den vielen Projekten, die Sie gelesen und angeschaut haben: Gibt es so etwas wie einen idealtypischen Fernseh-Dokumentarfilm?
Das ist eine emotionale Frage. Die „Universen“ gefallen mir sehr gut, auch zeithistorische Filme. Zum Beispiel wird derzeit ein Film über Bruno Kreisky gedreht. Das sind natürlich hochwertigere Produktionen mit entsprechend mehr Budget.
Von der Zahl der geförderten Projekte her dominieren die Dokumentarfilme, an Fördervolumen lukrieren sie nur zehn Prozent. Liegt das am höheren Aufwand für Spielfilme?
Ja. Ein TV-Spielfilm kostet im Normalfall zwischen 1,5 und 1,8 Millionen Euro, teilweise mehr. Eine Dokumentation bewegt sich zwischen 100.000 und 300.000 Euro.
Wie sehen Sie das Verhältnis zwischen Kino- und Fernsehdokumentarfilm?
Es gibt hybride Filme, die sowohl im Kino als auch im Fernsehen laufen können und sollen. Die Dokumentationslandschaft hat sich in meinen Augen wirklich deutlich gewandelt. Es gibt wesentlich mehr Möglichkeiten, Dokumentarfilme zu sehen, nicht nur im Kino, sondern auch im Fernsehen: „Universum“, zeithistorische Themen, Filme über soziale Entwicklungen. Das hat es vor 20 Jahren in der Form sicher nicht gegeben.
Ein „Universum“ ist ja nun aber eine sichere Bank. Gibt es auch riskantere Stoffe?
Wenn ein riskanter Stoff finanziert ist, dann wird er, wenn er den Richtlinien enstpricht, natürlich von uns gefördert. Ob der Film ein Erfolg im Fernsehen wird, weiß man ja vorher nicht. Da sehe ich eher die Fernsehanstalten als Jurys. Die müssen entscheiden, ob sie einen Film einsetzen und ob sie ihn um 20.15 Uhr abspielen oder um 23 Uhr – da gibt es dann eher weniger Zuschauer. Natürlich gibt es heikle Themen. Das Risiko eines Films ist eher, dass er sehr wenige Zuseher haben wird. Das trifft kurzfristig den Produzenten nicht, langfristig aber schon, wenn er immer Filme anbietet, die wenige Seher haben, denn da wird er keine guten Karten bei den Fernsehanstalten haben.
Man beklagt gerne das Niveau des Fernsehens, vor allem der Privaten. Wie sehen Sie das?
Differenziert. Es gibt private Fernsehanstalten, die „Schund“ verbreiten, weil die Zuseher eben nicht lauter A-Schichtler und Hochintelligenzler sind, sondern durchschnittliche Ware lieben, also Leute, die Fernsehboulevard konsumieren. Nur, das kann man auch nicht mehr hundertprozentig trennen und sagen, das eine ist privat und das andere ist öffentlich-rechtlich. Schauen wir uns den ORF an: ORF 2 ist quasi ein Public-Value-Sender, der dem öffentlichen Auftrag in weiten Dingen sehr gerecht wird. ORF1 ist für viele vergleichbar mit ATV oder RTL2. In Wahrheit entwickelt sich der Fernsehgeschmack weiter, und Fernsehen wird auch immer mehr ein Tagesbegleiter.
Sie meinen aber, es wird immer Platz geben für seriöses Fernsehen?
Das hundertprozentig, auch durch zusätzliche Fernsehstationen. Um das auf Zeitungen umzulegen: Ich muss ja nicht in der „Kronen-Zeitung“ hochqualitative Geschichten lesen, die ich mir anderswo, in Fachzeitschriften oder anderen Qualitätsmedien besorgen kann. So ist es im Fernsehbereich auch. Es gibt viele Spezialsender, man glaubt gar nicht, wie viele. Natürlich haben die weniger Seher, aber wenn ich etwas Qualitätsvolles sehen will, finde ich das Programm auch.