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Small World

| Roman Scheiber |

Die Adaption von Martin Suters Bestseller vermag bestenfalls jene zu interessieren, die ihn nicht gelesen haben.

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Martin Suters zweitjüngster Roman „Der letzte Weynfeldt“ wurde unlängst als Fernsehfilm adaptiert, unter der Regie seines Schweizer Landsmanns Alain Gsponer. „Der letzte Weynfeldt“ ist ein im wohlstandsbürgerlichen Milieu angesiedelter Unterhaltungsroman, für den in gleicher Weise gilt, was „Die Zeit“ über Suters belletristisches Debüt „Small World“ (1997) anmerkte: Das Finale ist spannend wie Hitchcock.

Beide Bücher des in Zürich geborenen, früheren Werbetexters und Kolumnisten eignen sich in einer Hinsicht bestens für die Verfilmung. Sie sind in ihrer Dramaturgie und szenischen Anlage selbst schon wie Filme strukturiert; nicht verwunderlich, da sie aus der Feder eines Schriftstellers stammen, der einige Originaldrehbücher geschrieben hat (zuletzt Giulias Verschwinden). In anderer Hinsicht eignen sich beide Bücher schlecht für die Verfilmung: Zu einem Gutteil leben sie von kriminologischem Witz und einer raffiniert aufgebauten Schlusspointe. Hat man sie gelesen, wird ihre hitchcockesk entwickelte Spannung in der Filmversion weitgehend unwirksam.

In „Der letzte Weynfeldt“ führt Suter ein Kunstfälschungsrätsel der geistvollen Auflösung zu. Den Leserinnen und Lesern von „Small World“ wiederum ist die Lüftung des Geheimnisses, der sich die Industriellen-Familie Senn am Ende nicht entziehen kann, leicht erinnerlich. Erinnerung ist auch das zentrale Element der Erzählbewegung: Der 60-jährige Konrad (Gérard Depardieu, derzeit erfreulicherweise wieder hochaktiv), Jugendfreund von Thomas (Niels Arestrup, Un Prophète), kehrt zurück auf den Herrschafts-Wohnsitz seiner Zieh-Familie, der Thomas’ herablassende Mutter Elvira (Françoise Fabian) vorsteht und die ihn nicht eben warmherzig empfängt. Parallel zu Konrads fortschreitender Demenz werden – für die Identität der Familie bedrohliche – Bilder aus seiner Kindheit immer klarer. Als Katalysator für seine Gedächtnisleistung erweist sich die Pflege durch die frisch angetraute, zunächst wenig mehr als großäugige Gattin des Familienstammhalters, Simone (Alexandra Maria Lara). Small World lebt von den präg–nant gezeichneten Figuren und elaborierten Dialogen der Vorlage, darüber hinaus von seinen guten Schauspielern (auch Nathalie Baye als Konrads Jugendliebe). Leider erst gegen Ende befreit sich die eher platte Inszenierung von Bruno Chiche ein wenig aus ihrer selbst gewählten Einfallsarmut. Aber man muss ja nicht unbedingt das Erzählmotiv von Toto der Held zum Vergleich heranziehen – außerdem wäre das ein kleiner Spoiler. Der Alfred Hitchcock in Martin Suter wäre entsetzt.