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Vielleicht in einem anderen Leben

| Günter Pscheider |

Knapp vor Ende des Zweiten Weltkriegs suchen gefangene Juden Zuflucht in der Operette „Wiener Blut“.

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Der Zweite Weltkrieg ist schon beinahe verloren, dennoch werden in Todesmärschen noch viele tausende Juden durch Österreich getrieben. Die Position der Zivilbevölkerung zwischen Teilnahmslosigkeit, vereinzelter Hilfe und von Pflichtbewusstsein legitimierter Mordlust könnte das Thema von Elisabeth Scharangs neuem Film sein. Im Mittelpunkt steht auch eindeutig ein Bauernpaar, in dessen Scheune todgeweihte ungarische Juden kurzzeitig untergebracht sind. Um die zermürbende Zeit des Wartens zu überbrücken und weil jede künstlerische Betätigung Hoffnung bringt, beginnen die Häftlinge unter der Führung eines Sängers der Budapester Oper mit den Proben zur Operette „Wiener Blut“. Die Bäuerin steht den halb verhungerten Gestalten zuerst eher ablehnend gegenüber, ihr Mitleid siegt aber bald über ihre Furcht vor Repressalien. Ihr Gatte braucht etwas länger, um im weiteren Verlauf sein kostbares Bier doch mit den dankbaren Juden zu teilen.

Der Gesinnungswandel dieser Durchschnittsmenschen sollte eigentlich zentral sein, denn das ist der einzige innere Konflikt im gesamten Film, der mäßig Spannung erzeugende Rest dreht sich um die Frage, ob die Gefangenen überleben werden. Leider passiert diese Änderung von Distanz zur Fraternisierung viel zu schnell und zu wenig nachvollziehbar. Mitleid allein und die Freude am gemeinsamen Musizieren reichen nicht aus, um zu erklären, wieso der Bauer in einer Szene noch von Hochverrat spricht und wenig später alles riskiert, um den Juden zu helfen. Ein weiteres Problem ist, dass die Figuren nicht entsprechend eingeführt werden, die Gefangenen kaum interessante Charakterzüge entwickeln und ziemlich penetrant als völlig paralysierte, hilflose Opfer gezeigt werden. Immerhin könnten sie leicht durch ein offenes Fenster entfliehen. Noch absurder ist, dass nicht einmal die kräftigen Männer in der Gruppe auf die Idee kommen, die Bäuerin bei ihren ersten Besuchen einfach zu überwältigen und die unbewachte Scheune einfach hinter sich zu lassen.

Der Film basiert auf dem Theaterstück „Jedem das Seine“ von Peter Turrini und Silke Hassler, die besten Szenen sind die in der Scheune spielenden, das restliche Drittel mit Impressionen aus dem Dorf und aus einem Schloss, wo die bewachenden Nazis Station machen, wirkt völlig zusammenhanglos und dramaturgisch überflüssig. Die Schauspieler – allen voran Ursula Strauss und Johannes Krisch – geben über weite Strecken grimmig dreinschauend ihr Bestes, aber bis auf wenige berührende Szenen der Interaktion zwischen den Eheleuten verpufft ihre Energie in einem Ensemble ohne Konturen.