I Am Love

Tilda Swinton in einer Glanzrolle

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Sie alle könnten auch aus einem Visconti-Film stammen, so wohlgesittet und regungslos wie sie dort sitzen, an diesem schier endlos erscheinenden Tisch. Der Patriarch, ganz wie es sich gehört, am oberen Tischende, sein Sohn, der kommende Erbe, ihm gegenüber und der Rest der Familie hübsch um die beiden herum drapiert.

Nur eine wirkt wie ein Störfaktor, mit ihren blonden Haaren und ihrem russischen Akzent, der so gar nicht zu dieser mailändischen Familie passen möchte. Und auch wenn sie, Emma (Tilda Swinton), die eigentliche Dame des Hauses, Frau des kommenden Oberhaupts dieser alteingesessenen Familie Recci alles daran setzt, um nicht aufzufallen, weiß man sofort: Das geht nicht gut. Irgendwann wird ihr eigentliches Ich durch diese gepflegte Oberfläche hindurchbrechen und damit dieses fragile Familienkonstrukt zerstören.

Regisseur Luca Guadagnino lässt den Zuschauer nicht lange darauf warten: Schon bald kommt ein junger, leidenschaftlicher Koch, der Emmas Panzer, hinter dem sie seit Jahren ihre Gefühle und Leidenschaft verbirgt, durchbricht und ihr zeigt, dass Reichtum und gesellschaftliches Ansehen nicht alles im Leben sind.

Eine Geschichte, die schon zig Mal erzählt wurde, und die dem Zuschauer als Quintessenz eine recht abgedroschene Weisheit mit auf den Weg gibt. Was Guadagnino nicht davon abschreckt, für die Inszenierung dieses alten Märchens auf ebenso abgedroschene Symbole zurück zugreifen. So ist natürlich Antonios Essen der Auslöser für Emmas Wiederentdeckung ihrer Leidenschaft und ihr Schwelgen in seinen kulinarischen Kreationen als Vorstufe ihrer Beziehung zu verstehen. Und natürlich lässt Guadagnino seine Heldin sich die Haare als symbolischen Akt abschneiden, ganz so wie es dem Klischee über Frauen entspricht.

Trotzdem ist I Am Love ein absolut sehenswerter Film, was nicht nur an der Opulenz der Bilder, sondern auch an der großartigen Schauspielerin Tilda Swinton liegt, der man von Anfang an ansieht, dass unter der Fassade der perfekten Gattin ein emotionaler Vulkan brodelt, der jederzeit droht auszubrechen. Ein extrem stilisiertes Drama, dem zwar die Melodramatik eines Douglas Sirk fehlt, das dafür aber aus dem Vollen der kinematografischen Vielfalt schöpft und damit aus vielen aktuellen Filmen wie ein Juwel hervorsticht.