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Inside America

Inside America

| Reinhard Bradatsch |

Barbara Eders kompromisslose Bestandsaufnahme des anderen Amerika

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Österreichs Filmschaffende dürfen in den Vereinigten Staaten in der Regel nicht mit einem Empfangskomitee rechnen: Während viele in der globalen Unterhaltungsmaschinerie Hollywood nur mühsam Fuß fassen, gibt es auch solche, die Geschichten in und aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten mit dem eigenen Equipment, dafür ohne die einschränkende Einflussnahme der großen Studios umsetzen.

Jungregisseurin Barbara Eder machte sich 2008 auf den Weg nach Brownsville im äußersten Süden der USA, unmittelbar an der „border wall“ zu Mexiko; dort, wo sie als 17-Jährige die Hanna High School besuchte und in Kontakt mit einer Gesellschaft kam, die so gar nicht dem hehren Bild des American Dream entspricht. In Inside America verarbeitet sie ihre eigenen Erlebnisse aus einem verdrängten Mikrokosmos, in dem 94 Prozent der Einwohner Hispanics sind – viele von ihnen haben nie ein Wort Englisch gesprochen.

Eders Zugang ist dabei ein zwischen dokumentarischer Beobachtung und fiktionaler Dramatisierung pendelnder Balance-akt. Schon der Einstieg in den Film ist für den Zuschauer kein einfacher: Die Handkamera fokussiert die am Morgen ankommenden Schüler, als sie – wie sonst beim Security-Check am Flughafen – von Wachleuten auf Drogen und Waffen durchleuchtet werden. Stimmen und Töne werden zusammenhanglos gegeneinander ausgespielt, Dialoge auf ein Minimum beschränkt. Im Laufe des Films verhandelt die Regisseurin episodenhaft sechs Einzelschicksale, die Figuren tragen Konflikte aus und durchlaufen Lernprozesse, doch im Vordergrund steht für Eder das Abbilden der Wirklichkeit: Die Protagonisten – von der wohlstandsverwahrlosten Schönheitskönigin bis zum dealenden Gang-Mitglied – sind real existierende Personen, die sich allesamt selbst spielen. Inside America bedient sich dabei der Improvisationsfertigkeiten seiner Darsteller, was bisweilen weniger authentisch als vielmehr gekünstelt wirkt.

Dabei hat der Film jede Menge zu erzählen: über verfehlte Einwanderungspolitik, die ursprünglich billige Arbeitskräfte forciert hat und jetzt an einem mangelnden Zukunftskonzept scheitert; über eine Wegsperr-Mentalität, die nur von Angstmache lebt; über das perverse Verständnis der US-Amerikaner, eine Waffe gehöre zur lebensnotwendigen Grundausstattung. Doch seien wir ehrlich, das kennen wir alles – spätestens seit Michael Moore. Betroffenheit löst Eder erst durch Emotionen aus, die überall in der Welt der Jugendlichen zu Hause sind: durch Einsamkeit, Unsicherheit und den großen Wunsch, geliebt zu werden.