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Live aus Peepli

Live aus Peepli – Irgendwo in Indien

Live aus Peepli – Irgendwo in Indien

| Daniel Wisser |

Gelungene Satire, deren Härte für das indische Kino neu und erfrischend ist

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Viele wird es überraschen, dass ein indischer Film überraschen kann. Peepli Live kann. Noch vor 20 Jahren wurde das ästhetische und thematische Vakuum, das das indische Mainstream-Kino geschaffen hatte, erfolgreich vom Autorenkino besetzt. Erst Anfang der Neunziger Jahre entstanden kommerzielle Filme, die ernsthafte Themen aufgriffen. Diese Filme blieben aber immer in der Bollywood-Ästhetik verhaftet und beschäftigten sich fast ausschließlich mit urbanen Problemen. Mit Peepli Live hat der allseits berühmte Schauspieler Aamir Khan einen Schritt getan, um Bollywood auch ästhetisch zu bereichern: Er hat gemeinsam mit seiner Frau Kiran Rao einen von der Journalistin Anusha Rizvi inszenierten Film produziert, der sich mit der dramatischen Situation der Bauernselbstmorde in Indien befasst.

Der Bauer Natha hat sein Land verloren, da er nicht mehr in der Lage ist, die Raten zu bezahlen. Als er sich an einen lokalen Politiker wendet, fordert dieser ihn auf, Selbstmord zu begehen, da es staatliche Zuschüsse für Bauernfamilien mit Selbstmördern gäbe. Natha kündigt seinen Selbstmord an, und als eine Reporterin von dieser Ankündigung erfährt, gelangt die Story in die Schlagzeilen. Bald steigen andere Sender ein, und Natha wird zum Faktor im bevorstehenden Wahlkampf.

Rizvi bleibt beinhart bei der Satire: Natha wird vom Ministerpräsidenten ein Fernsehapparat überreicht, mit dem er nichts anfangen kann – während sein Haus von Fernsehjournalisten belagert wird. Um seine Notdturft zu verrichten, muss er fliehen, die Bilder seiner Fäkalien werden in allen Nachrichten gezeigt. In der Mitte des Films ist dennoch ein Bruch zu erkennen: Ging es anfangs um die ungeschönte Darstellung der Misere der Bauern, so liegt der Fokus der zweiten Hälfte eindeutig auf der Mediensatire. Klar, dass Rizvi davon etwas versteht. Aber leider wird einmal zu oft gezeigt, dass es den Journalisten nur um ihre Story und nicht um die Menschen geht. Und in dieser selbstverliebten Ausschlachtung der Skrupellosigkeit von Journalisten und Politikern geht Natha –und die indischen Bauern – ein wenig verloren.

Dennoch handelt es sich bei Peepli Live nicht nur um ein bemerkenswertes Regiedebüt und um einen fantastisch gespielten Film; es ist ein indischer Film sui generis, der das internationale und indische und Publikum gleichzeitig erreicht und berührt und den man gesehen haben sollte.