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Der Illusionist

Filmkritik

Der Illusionist

| Walter Gasperi |

Sylvain Chomets Verfilmung eines nicht realisierten Drehbuchs von Jacques Tati ist ein hinreißender Animationsfilm.

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Sylvain Chomets Animationsfilm spielt Ende der Fünfziger Jahre und beginnt damit, dass der Zauberkünstler Tatischeff einspringen darf, weil die Vorstellung des Films „L’Illusionniste“ aufgrund einer technischen Panne entfallen muss. Filmhistorische Realität versteckt sich in dieser Szene, hatte der große französische Komiker Jacques Tati 1959 doch schon ein Drehbuch mit dem Titel „L’Illusionniste“ verfasst, dies dann aber nie verfilmt. Zu nahe ging ihm vielleicht die Geschichte, die er als Liebesbrief an seine Tochter anlegte, nicht seinem filmischen Stil mögen auch die darin vorkommenden zahlreichen Ortswechsel entsprochen haben.

Jahrzehnte lag das Drehbuch im Regal, erst als Sylvain Chomet Tatis Tochter Sophie um Erlaubnis bat, um eine Szene aus Jour de Fête in seinem Film Les Triplettes de Belleville zu verwenden, kam Bewegung in das Projekt. Begeistert von Les Triplettes bot Sophie Tatischeff Chomet das Drehbuch an. Einen würdigeren Regisseur hätte sie dafür nicht finden können. Denn in Chomets Animationsfilm spürt man in jeder Einstellung nicht nur seine grenzenlose Liebe zu den Figuren, sondern vor allem seine Verehrung für Tati. Explizit kommt diese in einer hinreißenden Szene zum Ausdruck, in der der schlaksige Zauberer Tatischeff mit seinen zu kurzen Hosen in ein Kino gerät, in dem gerade Tatis Mon oncle läuft und er somit seinen Zwilling auf der Leinwand sieht.

Diese Verehrung für das große Vorbild durchzieht den ganzen Film, wird sicht- und spürbar in der Melancholie über die Verdrängung der alten Kunst, der Kritik an der kalten modernen Welt oder in der Tücke des Objekts, die in einer Autowerkstatt dem Protagonisten übel mitspielt. Denn darf Tatischeff zunächst noch für das von der Technik abhängige neue Medium einspringen, wird er bald von einer Rockband verdrängt, reist auf der Suche nach Jobs zunächst von Paris nach London, dann nach Schottland. Dort fasziniert er mit seinen vermeintlich realen Zauberkünsten das Mädchen Alice so, dass es ihm folgt, und er wird alles für es geben.

Grenzenlos sentimental ist die Schilderung dieser Vater-Tochter-Beziehung, aber nie verlogen, sondern tief empfunden und von großer Warmherzigkeit. Wie Chomet diese Geschichte ganz ohne Dialoge, einzig einige Sätze in dem der Allgemeinheit wohl unbekannten Gälisch verwendend – auch dies eine liebevolle Reminiszenz an Tati – erzählt und mit liebevollen Details prägnant die Ortswechsel vermittelt, straft die Botschaft des Zauberers an Alice, „Zauberer gibt es nicht“, Lügen: Dieser zartbittere Film ist pure Zauberei, die ans Herz geht und rührt.