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I killed my mother

Filmkritik

I killed my mother / J’ai tué ma mère

| Günter Pscheider |

Der Generation Gap als Tragikomödie

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Wenn man bereits mit 19 Jahren als Drehbuchautor, Regisseur und Hauptdarsteller einen Langfilm realisiert, ist es nahe liegend, das eigene Leben in den Mittelpunkt seines ersten Werkes zu stellen. Der Frankokanadier Xavier Dolan hält sich auch keinesfalls zurück in der detaillierten Beschreibung einer schwierigen Mutter-Sohn-Beziehung. Schon in den ersten Minuten schreien sich die beiden Protagonisten in immer hysterischeren gegenseitigen Schuldzuweisungen nieder, um sich dann doch wieder zu versöhnen, weil sie einander doch auf eine irritierende Weise zu brauchen scheinen. Dieses sehr ambivalente Liebes-Hass-Verhältnis dominiert den gesamten Film, die Nebenhandlungen wie das Engagement einer Lehrerin, die die Kreativität von Protagonist Hubert fördert, und seine homosexuelle Beziehung samt erotischem Erwachen führen nur zu einer kurzen Ablenkung vom Kernproblem.

Was den Film bemerkenswert macht, ist vor allem der distanziert-ironische Tonfall der Geschichte. Das führt dazu, dass man über die Schreiduelle schmunzelt, bei denen an und für sich ernste Themen wie die mangelnde Fähigkeit, ein Kind bedingungslos zu lieben, oder die juvenile Verachtung für den grauenhaften mütterlichen Geschmack in Kleidungs- oder Einrichtungsfragen verhandelt werden. Durch den humoristischen Zugang nimmt der Regisseur den Geschehnissen zwar die Tragik, er verzichtet aber damit auch auf eine übermäßige Identifikation mit dem Protagonisten. Die Dialoge wirken gnadenlos echt, da kann sich wahrscheinlich jeder auch schon lange erwachsene Zuschauer in dem gegenseitigen Unverständnis wieder finden. Doch Hubert hat in seiner Mischung aus James Dean und Oscar Wilde etwas Poserhaftes, er will so sehr über den Dingen stehen, dass man ihm seine emotionalen Ausbrüche und seine untauglichen Abnabelungsversuche manchmal nicht ganz abnimmt. So wird trotz der ausgezeichneten Schauspieler die Beziehung nach der Hälfte des Films redundant, beim fünften Streit über die essenziell gleichen Dinge hört man nur mehr mit einem Ohr zu.

Erst im letzten Viertel zeigt Dolan in einer schönen Szene ein wenig mehr von der Perspektive der Mutter, die einem ignoranten Internatsdirektor schreiend erklärt, dass er keine Ahnung hat, wie es ist, ein Kind allein aufzuziehen. Visuell merkt man diesem trotz einiger Längen viel versprechendem Debüt sein geringes Budget schon an, aber obwohl der Film nichts Neues über den Generation gap erzählt, ist es doch erfrischend, die Perspektive eines unmittelbar Betroffenen auf der Leinwand zu sehen.