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Whore’s Glory

Whore's Glory

| Ines Ingerle |

Altertümliche Bräuche, Tod und Geburt in Kalabrien

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Bangkok, Thailand. Im so genannten „Fish Tank“ werden junge Frauen von Stylisten zu Beauty-Queens gemacht, um in einer Aquarium-artigen Vorrichtung hinter Glasscheiben Platz zu nehmen und darauf zu warten, dass sie von einem der Besucher ausgewählt werden.

Faridpur, Bangladesch. In der „Stadt der Freude“ lernen blutjunge Mädchen das „Handwerk“ von ihren leiblichen Müttern, oder jenen, die sie als solche bezeichnen, nachdem sie von ihnen gekauft wurden.

Reynosa, Mexiko. „La Zona“ ist wie ein eigenes kleines Dorf, in dem legale Prostitution betrieben wird. Die „Toleranzzone” wird von Kunden aus aller Welt besucht, die im Auto langsam an den einzelnen Häuschen der Prostituierten vorbei fahren, bis sie eine gefunden haben, von der sie sich befriedigen lassen wollen.

Drei Städte, drei Kulturen, drei Religionen, drei Facetten der Prostitution. Whores’ Glory entführt in Welten, von denen die meisten von uns bisher keine Ahnung hatten. Es ist eine Gratwanderung zwischen Himmel und Hölle, Lust und Ekel, Leben und Tod. Tiefgehend, aber nie respektlos zeigt Michael Glawogger Bilder, die erstaunen, überwältigen, verstören,
packen, berühren. Es sind Geschichten von und über Frauen und Mädchen, die einen Beruf ausüben, der wohl kontroverser ist, als jeder andere. Dabei wird ganz bewusst auf einen Off-Kommentar verzichtet und in langen Einstellungen und präzise kadrierten Bildern das Erzählen vollends den Protagonistinnen überlassen. Whores’ Glory reiht sich nicht in die Kette jener Dokumentationen ein, in denen die Vorgänge hinter verschlossenen Türen nicht den Weg ins Bild finden. Ganz im Gegenteil: Hier werden die Dinge gezeigt, wie sie sind – und gerade deshalb ist das, was wir sehen, so eingehend. Die kompromisslose Abbildung der traurigen Realität bewegt zutiefst. Etwa, wenn in Bangladesch ein unschuldiges, verschrecktes Mädchen in die „Stadt der Freude” gebracht, von der Bordellbetreiberin eingehend begutachtet, schließlich gekauft und über ihren neuen Job instruiert wird. Oder wenn wir die Frauen in Mexiko beim Gebet beobachten, bevor sie zu ihren Kunden müssen, und ihr tristes Dasein mit Alkohol und Drogen erträglicher zu machen versuchen.

Eine Dokumentation, die nahe am Menschen ist, nahe an den einzelnen Schicksalen, Gedanken, Ansichten, Ängsten und Wünschen der Protagonistinnen, unterlegt von einem hervorragend ausgewählten und komponierten Score. Michael Glawoggers Film geht tiefer als die meisten Arbeiten über dieses Thema und hinterlässt einen gewaltigen, bleibenden Eindruck.