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Unter Kontrolle

Unter Kontrolle

| Ralph Umard |

Ein zunehmend schauerliches Drama über eine sadistische Mordserie, gemeingefährliche Polizisten und andere menschliche Bestien.

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Endlose Einöden mit abartigen, gewalttätigen Bewohnern und Highways, auf denen perverse Serienkiller ihr Unwesen treiben, deren Morde durch tote Tiere am Straßenrand angekündigt werden, kennt man zur Genüge. Gelegentlich jedoch werden diese Motive auf bemerkenswerte Weise variiert, beispielsweise in Wolf Creek (2004) mit seiner pseudo-dokumentarischen Machart. Surveillance fällt dagegen durch die Perfidität des dargestellten Sadismus aus dem Rahmen, zudem ist der Plot komplexer konstruiert als in derartigen genre-typischen Produktionen.

Hauptschauplatz neben dem Highway ist ein
Polizeirevier, das mitten im Niemandsland zu liegen scheint, ohne dazugehöriges Provinzstädtchen, was schon einmal einigermaßen befremdlich anmutet. Abgesehen vom Revierchef weisen die Cops deutliche Verhaltensstörungen auf. Zwei sind etwa pathologische Waffenfetischisten, die sich einen Spaß daraus machen, harmlose Autofahrer sadistisch zu terrorisieren. Als sich in der Gegend mehrere abscheuliche Morde ereignen, bekommen die Beamten Besuch von einem Mann und einer Frau, die sich als FBI-Agenten ausweisen und den Serienkiller zur Strecke bringen wollen. Bill
Pullman  spielt den FBI-Ermittler   mit  einer  an  Robert de Niro erinnernden Mimik, mit verkniffenem
Gesicht und zwanghaft kontrollierten Bewegungen. Da wird bald deutlich, dass dieser Mann selber eine psychisch gestörte Persönlichkeit ist. Im Laufe der Vernehmung von drei Überlebenden eines Blutbades – ein kleines Mädchen, eine junge Drogensüchtige und ein Polizist (manisch dargestellt vom Drehbuch-Koautor Kent Harper) – wird das Geschehen mittels Rückblenden aus drei unterschiedlichen Blickwinkeln rekonstruiert – eine von Kurosawas
Rashomon inspirierte Dramaturgie. Dabei sind die Rückblenden auch farblich unterschiedlich gestaltet, die Junkie-Episoden beispielsweise in unnatürlich bunten, auf Rauschdrogen hindeutenden Bildern.

Regisseurin Jennifer Chambers Lynch, Tochter
von David Lynch hatte bereits mit ihrem
Kinodebüt
Boxing Helena (1993) über die bizarre Liebesbeziehung eines Chirurgen zu einer Frau ohne Arme und Beine für Verstörung gesorgt. Ihr zweiter Spielfilm führt nun noch weit schlimmere Perversionen vor Augen, satanische Untaten von Monstern in Menschengestalt, die aus ihren Morden Lustgewinn erzeugen. Er zeigt zynisch „die Freiheit des Verbrechens“ (de Sade), als Entertainment für ein Publikum, das grauenhafte Gewalttaten nie selber erlitten und fürchten gelernt hat.