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Robert Mitchum – Master of Understatement

Master of Understatement

| Oliver Stangl |

Das Österreichische Filmmuseum widmet von 1. Dezember bis 6. Jänner dem großen Robert Mitchum eine Filmschau. „ray“ stimmt mit einer Bildstrecke darauf ein.

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Howard Hawks nannte ihn einen der größten Betrüger, die er je kennen gelernt habe: Er würde den Eindruck erwecken, als strenge er sich nicht im Geringsten an, tatsächlich aber arbeite er sehr hart. Und wirklich könnte man bei oberflächlicher Betrachtung meinen, Robert Mitchum (1917–1997) habe vor der Kamera nicht sonderlich viel getan. Genau das jedoch war seine Kunst: mit einem Minimum an Mimik ein

Maximum an Charisma zu verbreiten. Diese Fähigkeit kam ihm besonders bei den zahlreichen Filmen der Schwarzen Serie zugute, in denen er zu sehen war. Kaum ein anderer Schauspieler des Film noir strahlte die world weariness von Charakteren mit zweifelhafter Vergangenheit und geringen Chancen auf ein glückliches Leben (etwa 1947 in Jacques Tourneurs Out of the Past) derart überzeugend aus. Seine markante Physiognomie und der melancholische Blick machten Mitchum zum Prototyp des Antihelden, ein Image, das sich durch seine Jugend als Herumtreiber und eine Festnahme wegen Marihuana-Besitzes 1948 festigte. „The only difference between me and my fellow actors is that I’ve spent more time in jail“, meinte er dazu lakonisch. Die Kunstfigur Mitchum wirkte auf der Leinwand männlich und hart (manchmal auch gefährlich und sadistisch wie in Cape Fear), im Leben konstatierten ihm Weggefährten dagegen Feinfühligkeit und Intellekt. Er verfasste Gedichte, war als Ghostwriter für eine Astrologin tätig, zeichnete als Autor kleinerer Stücke für eine Theatergruppe verantwortlich und war auch musikalisch hoch talentiert: So schrieb Mitchum einige Nummern für seine Schwester, die in Nachtclubs sang und trat selbst mit zwei Alben als Singer/Songwriter und Interpret in Erscheinung (Eine Besprechung des großartigen, 1957 erschienenen „Calypso – is like so …“, letztes Jahr neu aufgelegt, finden Sie in ray 11/10).

Auch im Filmmuseum kann man den Mann mit der schillernden Biografie singen hören, etwa als psychopathischen Wanderprediger in Charles Laughtons expressionistisch-märchenhaftem Meisterwerk The Night of the Hunter (1955), in Otto Premingers melodramatischer Flussfahrt River of No Return (1954) an der Seite Marilyn Monroes oder in Norman Fosters amüsantem Western Rachel and the Stranger (1948). Dass Mitchums Darstellungskunst ob ihrer scheinbaren Mühelosigkeit oft unterschätzt wurde, zeigt sich daran, dass er nur einmal – für William A. Wellmans Antikriegsfilm Story of G.I. Joe (1945) – für einen Oscar nominiert wurde. Die Mitchum-Zitate, mit denen wir die Bildstrecke ergänzt haben, stammen aus dem Buch „Hommage für einen Star“ von Gerhard Midding und Frank Arnold, das 1991 anlässlich einer Mitchum-Retrospektive bei den Filmfestspielen in Berlin erschienen war und auch ein Interview mit dem Star beinhaltet. Hier gleich der erste Spruch: „Schauspielen kann doch gar keine so schwere Arbeit sein, oder? Wie Spencer Tracy sagte: ‚Merk dir deine Dialoge und pass auf, dass du nicht an die Möbel stößt!‘“