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The Forgotten Space

The Forgotten Space

| Andreas Ungerböck |

Filmessay mit Anklängen an das Horrorgenre: Es geht um globale Wirtschaft.

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Allan Sekula und Noël Burch, der eine vor allem als Fotograf, der andere vor allem als Filmtheoretiker (wenn auch mit einiger praktischer Erfahrung) bekannt, haben einen ganz und gar altmodischen, nicht-postmodernen Film gedreht: Er ist polemisch. Die „Internationale“ wird auf der Ziehharmonika gespielt. Es geht um etwas. Und es gibt eine Erzählstimme: In der deutschen Fassung ist das, durchaus hörenswert, Nina Hagen.

Die beiden älteren Herren (Burch wird demnächst 80) haben Godards Aussage, es gehe nicht darum, politische Filme, sondern Filme politisch zu machen, wörtlich genommen. Anhand eines ohnehin faszinierenden Themas (der Seehandel) erstellen sie einen nicht eben erfreulichen Befund der Welt: Wie sie vom Speziellen auf das Allgemeine (die Globalisierung) kommen, das ist für sich schon bemerkenswert. Im Mittelpunkt steht der Container, ein scheinbar bloß praktisches Ding ohne Eigenleben: Doch für Sekula und Burch ist er die Büchse der Pandora, die der Mensch nie hätte öffnen dürfen (schön illustriert durch die Schlussszene aus Robert Aldrichs Kiss Me Deadly, 1955).

Mit dem Siegeszug des Containers, der die Anonymisierung und Abstraktion des maritimen Handels einleitete, begann der Mensch, ob als Seemann oder als Hafenarbeiter, immer unwichtiger zu werden. Heute erledigen weitgehend Roboter das Ent- und Beladen von Containerschiffen – wie im riesigen Hafen von Rotterdam. Die beiden Filmemacher demonstrieren anhand dieses Beispiels die globale Absurdität, dass Menschen sich und einander wegrationalisieren. Von Rotterdam geht es nach Los Angeles, dem, was kaum bekannt ist, größten Hafen der USA, wo LKW-Fahrer um ihre Rechte (und ihre Gesundheit) kämpfen, nach Hongkong und in den Süden der Wirtschaftswunder-Macht China, wo Wanderarbeiterinnen und -arbeiter die dreckige Personalpolitik westlicher Konzerne (Wal-Mart, notabene) zu spüren bekommen. Doch was wird geschehen, wenn diese Arbeiter sich einmal organisieren und auch höhere Löhne verlangen? Wohin wollen die Ausbeuter dann ziehen? Solche Fragen stellt dieser Film, aber auch die nach der verfehlten Politik unserer Regierungen: So hat man in Holland eine völlig sinnlose Eisenbahn mitten durch Wälder und Dörfer gebaut, nur um „Transportinfrastruktur“ zu erzeugen, die niemand braucht. Gleichzeitig kämpft in Belgien ein Dorf seit Jahren dagegen, für den Ausbau des Antwerpener Hafens geopfert zu werden, und in Bilbao kämpft man darum, das maritime Erbe touristentauglich zu vermarkten.

Es sind starke, eindringliche Bilder, die Sekula und Burch gelingen, und es sind unangenehme Fragen, die sie sich und uns und den Politikern stellen, die aber, so steht zu vermuten, diesen Film kaum zu Gesicht bekommen werden.