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Monsieur Lazhar

Filmkritik

Monsieur Lazhar

| Walter Gasperi |
Leises Schul- und Migrantendrama über Verlust und Trauerarbeit.

Oscar-Nominierung, Publikumspreis beim Festival in Locarno und sechs Genie Awards, die kanadischen Filmpreise. Geradezu prädestiniert für Auszeichnungen ist Monsieur Lazhar in seiner Menschlichkeit, seiner einfühlsamen Erzählweise und der Leichtigkeit, die er trotz eines schweren Themas bewahrt.

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Wie soll eine Schulklasse von Elfjährigen damit fertig werden, dass sich ihre Lehrerin in der Klasse erhängt hat? Während Simon Schuldgefühle plagen, leidet Alice schwer unter dem Verlust. Die Schulleitung reagiert bürokratisch: Eine Psychologin soll die Schüler betreuen, das Klassenzimmer wird neu gestrichen. Ein neuer Lehrer wird gesucht, doch der Selbstmord soll nicht thematisiert werden. Auf die Anzeige meldet sich der Algerier Bachir Lazhar, der nach Montréal geflohen ist und auf Bewilligung seines Asylantrags wartet. Kurz entschlossen stellt ihn die Direktorin aufgrund der Personalnot ein.

Nicht nur zwei Generationen, sondern auch zwei Kulturen treffen so im Klassenzimmer aufeinander. Zurückhaltend bis abweisend reagieren die Kinder zunächst auf den Lehrer mit seinen altmodischen Methoden. Verständnislos stehen sie einem Diktat aus Balzac gegenüber, Widerspruch erhebt sich, als er einem störenden Schüler einen Klaps auf den Hinterkopf gibt. Und doch kommen sich Schüler und Lehrer langsam näher, denn Monsieur Lazhar, der selbst einen schweren Verlust erleiden musste, schweigt den Selbstmord der Lehrerin nicht tot, sondern thematisiert die Tat und lässt der Trauer und dem Schmerz der Kinder Raum.

Einen kleinen und leisen Film hat Philippe Falardeau gedreht. Er beschränkt sich in dieser Verfilmung eines Theaterstücks von Evelyne de la Chenelière weitgehend auf das Geschehen im Klassenzimmer, bauscht die Emotionen aber nicht auf, sondern bleibt zurückhaltend. Vertrauen kann er dabei auf wunderbar natürlich agierende Kinder und den algerischen Komiker und Schriftsteller Fellag, der als Monsieur Lazhar eindringlich den schlummernden Schmerz zum Ausdruck bringt.

Wie Lazhar in seinem menschenfreundlichen Umgang die Schüler aus ihrer Traumatisierung herausführt, so strahlt auch der Film in seiner Sanftheit, dem leisen Humor und dem mitfühlenden Blick auf die Menschen große Ruhe und Leichtigkeit aus. Vorsichtig balanciert Monsieur Lazhar auf dem schmalen Grat zwischen echten Gefühlen und Sentimentalität, ohne je abzustürzen, wirkt allerdings in seinem Gutmenschentum und im Fehlen von Ecken und Kanten auch mehr wie ein Wunschtraum als der Realität abgeschaut.