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Evolution der Gewalt

Evolution der Gewalt

| Günter Pscheider |

Warum ist es in Guatemala dreimal so wahrscheinlich, gewaltsam zu Tode zu kommen, wie im Irak? Schon in der grandiosen Anfangssequenz von Fritz Ofners spannender und informativer Dokumentation über die Folgen des Bürgerkriegs wird klar, wie alltäglich Mord und Totschlag im diesem kleinen mittelamerikanischen Land sind: Eine klassische Crime Scene, inmitten von Müll liegt die Leiche eines Teenagers, ganz beiläufig treten die ermittelnden Polizisten einen abgemagerten Hund. Ein Beamter fragt eine Mutter, ob ihre halbwüchsigen Kinder das wirklich sehen sollten. Sie treten fünf Schritte von der Absperrung zurück, dann bleiben sie einfach stehen und schauen weiter zu. Es ist nicht das mindeste Erschrecken in ihren Gesichtern zu erkennen, geschweige denn Entsetzen. Sie haben solche Szenen schon oft gesehen, in der Realität und jeden Tag im Fernsehen.

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Danach begleitet der Regisseur Gerichtsreporter bei ihrer gefährlichen Arbeit und filmt eine Demonstration gegen Gewalt und für mehr Sicherheit, die in einer brutalen Schlacht mit der Polizei endet, weil die Menschenmassen das Haus eines vermeintlichen Kidnappers stürmen und niederbrennen wollen. Eine charismatische Sozialarbeiterin hilft den machtlosen Hinterbliebenen, die tränenreich im Gerichtssaal erzählen, wie sie einen Verdächtigen identifizierten, während der übergewichtige Richter immer wieder kurz einnickt. Gewalt ist in diesem zerrissenen Land die allgemein akzeptierte Problemlösungsstrategie. Im zweiten Teil des Films geht es mehr um die Hintergründe des Bürgerkriegs, kurze Archivfilme berichten von der Verstrickung der US-Konzerne – die die Bananenplantagen und damit das Land besitzen – in die Politik des Landes.

Anfang der Fünfziger Jahre wird der demokratisch gewählte Präsident in einem Militärputsch gestürzt, die Amerikaner unterstützen die rechtsgerichtete Regierung, die unzählige Massaker an der großteils indigenen Bevölkerung zu verantworten hat. Ehemalige Rebellenkämpfer verbreiten Revolutionsromantik, während gleich danach in einer weiteren brillanten Sequenz ein zwangsrekrutierter Soldat vorzeigt, wie er einem Gefangenen das Herz aus dem Körper schnitt und das noch pochende warme Organ seinem Kommandanten übergab. Auch dieses grausige Bekenntnis geschieht beinahe emotionslos, nur kurz bricht die Stimme des Mannes, als er mechanisch seine Handlungen nachvollzieht.

Regisseur Fritz Ofner, der nach seinem Publizistik- und Ethnologiestudium als Journalist, NGO-Aktivist und Fernsehproduzent arbeitete, ist ein wichtiges Werk gelungen, dass dem Zuseher dabei hilft, die Evolution der Gewalt in jeder Gesellschaft zu verstehen, die lange einem brutalen Krieg ausgesetzt war. Im Gespräch mit ray erzählt Ofner vom zähen Ringen um die filmische Struktur, warum der Bürgerkrieg in Guatemala mehr Menschenleben gefordert hat als alle Konflikte in Lateinamerika zusammen und über seinen Bubentraum, dabei zu sein, wenn Geschichte gemacht wird.

Ich stelle mir das recht schwierig vor, eine Theorie, eben von der Evolution der Gewalt, zu verfilmen. Wie sind Sie da vorgegangen? Was war Ihre erste Idee?
Fritz Ofner:
Der Film ist ganz organisch gewachsen in seiner Struktur, wie eine Zwiebel. Ich war schon öfter in Guatemala und bin 2008 wegen eines Jobs hingeflogen mit der Kamera im Gepäck und der Idee, einen Film dort zu machen, allerdings ohne zu wissen, worum es gehen sollte. Durch Zufall hörte ich von einer Demonstration gegen die Gewalt und für mehr Sicherheit und habe ganz spontan diese Menschenansammlung gefilmt. Diese Demonstration, die in einen Kampf mit der Polizei ausgeartet ist, weil die Leute die Häuser von angeblichen Kidnappern niederbrennen wollten, war für mich der Endpunkt einer Spirale der Gewalt, eine absolute Kapitulation. Die nächste Episode, die ich gedreht habe, war das Gespräch mit den Leuten im Dorf, wo 1982 ein Massaker statt gefunden hat. Meine Arbeitsthese war, dass diese Alltagsgewalt heute stark mit der Gewalt des Bürgerkriegs zusammenhängt. In Guatemala ist Gewalt auch sehr stark in den Medien präsent. Alle Menschen reden darüber, sie ist ständiger Gesprächsstoff so wie bei uns das Wetter. Deshalb wollte ich mit Journalisten arbeiten und an die Orte gehen, wo die Gewalt passiert, wo sie medial aufbereitet wird. Mir war auch wichtig dass jemand im Film ist, der innerhalb dieses Systems für eine Veränderung zum Positiven kämpft, so bin ich auf die Sozialarbeiterin Carola gestoßen. Der Bürgerkrieg nur aus der Perspektive der Opfer hat mir zu wenig über die Hintergründe erzählt. Der letzte Arbeitsschritt im Finden dieser Struktur war dann, einen Täter zu suchen. Und um diese Sicht des Soldaten wieder zu balancieren, wollte ich auch die Geschichte eines Guerillakämpfers zeigen, der aus eigener Überzeugung in den Kampf für eine bessere Welt gezogen ist.

Haben Sie jemals daran gedacht, diese Geschichte stärker anhand von Einzelschicksalen – etwa ein Soldat oder ein Guerillakämpfer – zu erzählen?
Fritz Ofner: Ich habe immer versucht, ein großes Bild zu erzählen. Ich wollte eine Matrix schaffen, wo verschiedene Punkte angerissen werden und sich daraus ein roter Faden ergibt, wo aber auch Freiräume sind und der Zuseher die Verbindungen herstellen kann. Es mir nicht darum gegangen ist, einen Film über Guatemala per se zu drehen, sondern einen über Mechanismen der Gewalt. Deshalb wollte ich nicht zu spezifisch in persönliche Geschichten reingehen, sondern habe Beispiele gesucht, die zu dieser erzählerischen Matrix beitragen. Wir haben dann im Schnitt lange nach der richtigen Balance zwischen Information und szenischem Material gerungen, um das alles – 60 Jahre Geschichte, Kolonialismus, Ausbeutung von natürlichen Ressourcen, kalter Krieg, die Schicksale von Menschen – in eine kompakte Form zu bringen.

Haben die klaren Vorgaben beim Schnitt geholfen?
Fritz Ofner: Es war vor allem ein sehr langer Prozess, der über ein Jahr gedauert hat. Die ersten Versionen waren noch sehr offen in ihrer Struktur, noch nicht episodisch gegliedert. Das war für Menschen, die sich mit der Geschichte Guatemalas nicht so gut auskennen, einfach zu verwirrend, zwischen der Gegenwart und der Vergangenheit hin und her zu springen. Dann wurde mir klar, dass man die Geschichte in der Gegenwart starten muss und erst später in die Vergangenheit gehen muss, um wieder heute zu enden. Daraus ist diese Struktur entstanden, wo das Archivmaterial oder die Talking-Head-Interviews immer eine klare Zäsur und Überleitung darstellen zwischen den einzelnen Episoden. Es hat auch Versionen gegeben, die auf die „Hard Facts“ verzichtet haben, was dann für manche Zuseher unbefriedigend war, weil man das Geschehen nicht richtig einordnen konnte. Die Diskussion um die filmische Form hat den Schnittprozess, zuerst mit Oliver Neumann, dann mit Karina Ressler, immer begleitet. Das Motto war dann schlussendlich „Form follows function“. Ich wollte diese großen Zusammenhänge erzählen, die filmische Form hat sich dem zu Erzählenden unterordnen müssen.

Wie haben Sie den Soldaten dazu gebracht, diese schreckliche Geschichte vom Herausschneiden des Herzens vor der Kamera nachzuerzählen und nachzuspielen?
Fritz Ofner: Ich habe im Laufe der Dreharbeiten einige Täter kennen gelernt, aber ich bin in den Gesprächen mit ihnen jedes Mal an den Punkt gekommen, wo sie gesagt haben, wenn ich zuviel erzähle, werde ich umgebracht. Durch eine Zeitungsannonce – österreichischer Dokumentarfilmer sucht Soldaten, die über den Krieg erzählen wollen – bin ich auf den Protagonisten des Films gestoßen. Er hat ein unveröffentlichtes Manuskript über seine Erlebnisse im Bürgerkrieg geschrieben und es mir geschickt. Wie ich das gelesen habe, wusste ich sofort, dass er der richtige ist. Er ist eine sehr ambivalente Figur, ein Täter, der gleichzeitig ein Stück weit auch ein Opfer ist. Er wurde zwangsrekrutiert. Es war eine irrsinnig perfide Taktik des Militärs, dass man in indigene Dörfer gefahren ist und junge Männer durch Gewalt dazu gebracht hat, Täter zu werden. Diese Täter hat man dann wieder auf indigene Gemeinden los gelassen hat, damit der gesellschaftliche Zusammenhalt gebrochen wird, wenn die Täter und die Opfer aus derselben Ethnie kommen. Er hat sich diesem System angepasst und er ist auch stolz darauf, dass er in dieser militärischen Hierarchie aufgestiegen ist. Aber dennoch hat er einen irrsinnigen Leidensdruck und für ihn hat das Schreiben des Buches oder auch das Erzählen für die Kamera ein sehr stark kathartisches Element.

Die Männer im Film zeigen kaum Emotionen. Die Frauen sind es die weinen, klagen, kämpfen. Spiegelt das die Realität?
Fritz Ofner: Ich hatte keine Gender-Theorie. Es ist in Guatemala einfach so, dass die Gewalt seit den Sechziger Jahren stark präsent ist. Jede Generation ist mit dieser Gewalt aufgewachsen, es gibt in jeder Familie Täter und/oder Opfer. Durch diese Normalisierung berührt es einen nur mehr, wenn es die Allernächsten trifft. Und es gibt auch diese große Paranoia, in der die Gesellschaft lebt, selbst Opfer zu werden und gleichzeitig diesen Voyeurismus, sich die Gewalt anzuschauen, wenn sie passiert. Die Menschen im Film, die sich mit diesem Zustand nicht abfinden können wie die Sozialarbeiterin Carola oder der Guerillakämpfer Enrique, sind nicht in Guatemala geboren. Deswegen sind sie noch zu echter Verblüffung fähig, während die anderen im Film in diesem System aufgewachsen sind und nichts anderes kennen.

Wie sehen Sie die Zukunft für Guatemala? Gibt es Hoffnung, diese Spirale der Gewalt zu durchbrechen?
Fritz Ofner: Die meisten Menschen, mit denen ich gesprochen habe, sind sehr pessimistisch, was die Zukunft Guatemalas angeht. Bevor ich das letzte Mal weggeflogen bin, war eine Statistik in der Zeitung. So wie in anderen Ländern das Bruttonationalprodukt oder die Verschuldung vorhergesagt wird für die nächsten Jahre, so wurde hier die Mordstatistik hochgerechnet. 1996, am Ende des Krieges, gab es 3.000 Tote, im Jahr 2010 waren es 6.000 und für 2014 erwartet man 14.000. Im letzten Präsidentschaftswahlkampf war das Topthema der Kampf gegen die Gewalt. Zum Präsidenten gewählt wurde Otto Perez Molina, ein ehemaliger General aus der Bürgerkriegszeit, der für seine Foltertaktiken berühmt war. Ein Grund für seine Wahl war, dass er versprochen hat, mit eiserner Faust gegen die Verbrechen vorzugehen. Es wurde also jemand gewählt, der ganz aktiv an diesem Genozid beteiligt war, der versprochen hat, mit denselben Mitteln, mit denen er die Guerilla bekämpft hat, das organisierte Verbrechen zu bekämpfen. Das lässt eine weitere Eskalation der Gewalt befürchten. Möglicherweise wird es darauf hinauslaufen, dass es wie auch in anderen Ländern auf dem Kontinent wieder Todesschwadronen der Polizei gibt, die in der Nacht ausrücken, also von der Bevölkerung durch ihre Wahl sanktionierte Gewalt.

Was waren die Gründe für diesen langen gewalttätigen Bürgerkrieg?
Fritz Ofner: Guatemala war lange Zeit eine typische „Bananenrepublik“. Die United Fruit Company besaß riesige Landgebiete, die ihr steuerfrei gegeben wurden, wobei die Firma im Gegenzug den herrschenden Diktator unterstützt hat. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs etablierte sich zehn Jahre lang so etwas wie ein demokratischer Frühling. Der gewählte Präsident wollte gegen eine angemessene Kompensation von der Bananenfirma ungenutztes Land an landlose Bauern verteilen. In Washington sind sofort die Kommunismus Alarmglocken losgegangen. Die Bananenfirma hat gemeinsam mit dem CIA eine bewaffnete Intervention gestartet, der Präsident wurde gestürzt und eine Militärdiktatur installiert, die fast durchgehend dreißig Jahre lang an der Macht war. Es gab dann innerhalb der Bevölkerung Widerstand gegen diese Veränderung der Machtverhältnisse, einerseits von den Gewerkschaften ausgehend, aber auch von der Kirche. Es war weniger das Establishment, sondern eher die Basis, inspiriert von der Befreiungstheologie. Die Repressionen gegen Intellektuelle oder gegen alle, die am Widerstand teilgenommen haben, waren auch in den Städten extrem intensiv. Menschen sind einfach so verschwunden und nie wieder aufgetaucht oder es wurden nur mehr ihre Leichen gefunden. Die Leute, die den nächsten Schritt machen wollten, sind dann in die Berge gegangen und haben sich der Guerilla angeschlossen. Anfang der Achtziger Jahre sind innerhalb kürzester Zeit 200.000 Leute massakriert worden. Der Bürgerkrieg in Guatemala hat mehr Menschenleben gekostet, als alle anderen bewaffneten Konflikte in Lateinamerika im 20. Jahrhundert zusammen, obwohl Guatemala so ein kleines Land ist und es zu der Zeit in vielen Ländern ähnliche Konflikte gegeben hat.

Warum war der Krieg dort so besonders blutig?
Fritz Ofner: Guatemala hat neben Bolivien als einziges Land in Lateinamerika eine indigene Mehrheit und eine Gesellschaftsstruktur, die noch die gleiche ist wie in der Kolonialzeit mit einer weißen europäischstämmigen Oberschicht, die einen Großteil des Landes und der Produktionsmittel besitzt, während die Mehrheit der Bevölkerung auf gepachtetem Land, in feudalen Strukturen lebt. Weil in manchen Landstrichen die Unterstützung der Indigenen für die Guerilla sehr groß war, hat man alle Indigenen in einen Topf geworfen hat und pauschal verdächtigt, so dass das Militär gnadenlos gegen eine ganze Volksgruppe vorgegangen ist und es zu einem Genozid gekommen ist.

Sie interessieren sich aber auch für andere Konfliktherde auf der Welt. Können Sie etwas über Ihre neuesten Projekte verraten?
Fritz Ofner: Schon fertig ist Libya Hurra, der letzten September in Libyen gedreht wurde, eine Reihe von Momentaufnahmen der Revolution. Das Projekt ist ganz spontan entstanden. Wie ich gehört habe, dass die Rebellen in Tripolis einmarschiert sind, wollte ich wissen, was dort wirklich passiert. Weil die Medien immer ein großes Zerrbild von Geschehnissen abliefern, bin ich dann einfach hingeflogen und einmal quer durchs Land gefahren.

Hatten Sie keine Angst?
Fritz Ofner: Ich finde, dass die großen Wahrheiten ambivalent sind und man in einem Zustand des Krieges immer auch eine große Menschlichkeit findet. Die Freundlichkeit und die Freundschaft, mit der wir in Libyen empfangen worden sind, waren wirklich unvorstellbar. Ich bin mit einem tschechischen Fotografen und einem syrischen Freund, der auch übersetzt hat, herumgereist. Obwohl es ein Ausnahmezustand war, war die Präsenz eines Ausländers mit einer Kamera derartig willkommen, dass trotz der Härte des Krieges sehr viele positive Erlebnisse übrig geblieben sind. Ich habe auch nicht die Gefahr gesucht. Wir sind nicht absichtlich dorthin gefahren, wo geschossen worden ist. Die Gefahr fordert einen immer heraus, extrem gut zu planen und sich gleichzeitig sehr stark auf Instinkte und Menschenkenntnis zu verlassen. Man braucht auch ein gewisses Grundvertrauen in die Einschätzung der Einheimischen, ob es jetzt gefährlich werden könnte oder nicht. Angst habe ich eigentlich nicht gehabt. Es hat einige Momente gegeben, wo ich mir vorher gedacht habe, dass könnte brenzlig werden, es ist aber nie dazu gekommen.

Das ist immer ein Bubentraum von mir gewesen, dass ich dabei sein will, wenn Geschichte geschrieben wird. Und das passiert oft im Chaos. Man muss sich der eigenen Rolle auch sehr bewusst sein, dass man hinfährt, um diese Geschichte der Umwälzung zu erzählen und nicht aus einem Abenteuergedanken heraus. Mir war es bei diesem Film auch ganz wichtig, eine filmische Form zu finden, die meiner Erfahrung dort Rechnung trägt. Der Film ist jetzt ausschließlich in Plansequenzen gedreht, die die Einheit von Zeit und Raum bewahren und nicht durch Schnitte verkürzen. Deshalb hat er eine ziemlich hypnotische Wirkung. Ich bin sehr gespannt auf die Reaktionen in Linz, wo der Film bei Crossing Europe seine Österreich-Premiere erlebt, weil es von seiner Entstehungsgeschichte und von seiner Form her ein sehr ungewöhnlicher Film ist. Nach der spannenden aber langwierigen Arbeit an Evolution der Gewalt war es mir wichtig, ein spontanes Projekt zu starten. Libya Hurra hat von der ersten filmischen Idee bis zum fast fertigen Rohschnitt nur drei Monate gedauert. Das war vom kreativen Prozess her eine sehr positive Erfahrung.

Der zweite Film, der gerade fertig wird, heißt Beirut Blend, eine dokumentarische Adaption von Coffee and Cigarettes von Jim Jarmusch, sehr stark stilisiert, in Schwarzweiß mit statischen Einstellungen gedreht. Ein Teil der Gespräche der Leute bei Kaffee und Wasserpfeife in Beirut kreist auch schon um die Geschehnisse in Libyen, deswegen könnten die zwei Film ein interessantes Double Feauture über den arabischen Frühling, über die Veränderungen in zwei unterschiedlichen Ländern, zu unterschiedlichen Zeiten (April-September 2011), aus unterschiedlichen Perspektiven ergeben.

Was ist der Vorteil einer so schnellen Arbeitsweise? Wie schaffen Sie es, Regie, Kamera und Ton unter einen Hut zu bringen?
Fritz Ofner: Natürlich kann und soll man nicht immer und ausschließlich so arbeiten, aber man muss sich diesen „Independent Spirit“ auch bewahren, wenn man bestimmte Geschichten erzählen will und sich nicht immer abhängig machen von Förderern, Fernsehanstalten und Produktionsfirmen. Der große Vorteil der digitalen Arbeitsweise ist, dass man auch mit einfachem Equipment und geringen Budgets – natürlich kommt das nicht an die technische Raffinesse einer größeren Produktion heran – in einer rohen Form sehr starke Geschichten erzählen kann. Mit einer Videokamera im Schulterstativ und einem qualitativ hochwertigem Mikrofon auf der Kamera erzielt man ganz ordentliche Ergebnisse. Wenn es einen Protagonisten gibt, der etwas erzählt, stecke ich dem noch ein Funkmikrofon an. Dass ich Bild und Ton selber aufnehme, beeinflusst meine filmische Arbeitsweise stark, weil ich schon aus technischen Gründen oft sehr nahe an die Menschen herangehen muss.

Was zieht Sie persönlich zu solchen Themen des Krieges, der Gewalt?
Fritz Ofner: Die Frage, warum ich mir immer solche Themen aussuche oder sie mich, stelle ich mir auch schon länger, aber ich habe noch keine befriedigende Antwort drauf gefunden, das ist noch so eine Art blinder Fleck bei mir. Es geht mir auf jeden Fall darum, gewisse Geschichten aus einer anderen, subjektiven Perspektive zu erzählen. Vielleicht entstehen diese Filme aus einer Überzeugung, dass man gar nicht oft genug betonen kann, dass Kriege und bewaffnete Auseinandersetzungen extrem zerstörerische Auswirkungen auf Menschen haben.